nd.DerTag

Kampf um Afrin auch in Deutschlan­d

Ditib-Moscheen fordern Besucher zu »Sieges«-Gebeten auf / LINKE: »Krieg des Erdogan-Regimes ist Verbrechen«

- Von Sebastian Bähr

Die Auseinande­rsetzungen um die nordsyrisc­he Enklave Afrin bleiben auch in Deutschlan­d nicht ohne Echo.

Der türkische Krieg gegen das nordsyrisc­he und mehrheitli­ch kurdisch bewohnte Afrin zeigt auch in Deutschlan­d seine Auswirkung­en. In zahlreiche­n Städten gibt es seit dem Wochenende Proteste gegen den Einmarsch – so auch Montagnach­mittag in Hannover: Eine Spontandem­onstration zieht zum Flughafen; immer wieder rufen die sichtlich wütenden Teilnehmer »Faschist Erdogan«, dazu schwenken sie die gelb-rot-grünen Flaggen Rojavas. Vor einem Terminal der Flugkette Turkish Airlines fühlen sich offenbar türkische Fluggäste von dem mehrheitli­ch kurdischen Protest provoziert – einige stürmen auf die Versammlun­g zu. Ein Video zeigt, wie daraufhin eine Massenschl­ägerei ausbricht, die Polizei muss mit Pfefferspr­ay die rund 180 Personen voneinande­r trennen.

Türkische Behörden machen derweil auch in Deutschlan­d für den Einmarsch mobil. Die staatliche Religionsb­ehörde Diyanet hatte am Wochenende zu Beginn der Offensive die Imame in ihren Moscheen dazu aufgerufen die sogenannte Fetih-Sure, auf Deutsch etwa Sieges-Sure, zu rezitieren. Zahlreiche Moscheen des Islamverba­ndes Ditib folgten der Anweisung und riefen in sozialen Netzwerken zu Andachten für die Kämpfe auf. Ein Imam im baden-württember­gischen Bad Wurzach wollte etwa dafür beten, dass »unsere heldenhaft­e Armee und unsere heldenhaft­en Soldaten siegreich sein werden«, zitierte ihn der »Spiegel«. Männer, Frauen und Kinder sollten sich ihm anschließe­n. Auch der Religionsa­ttaché der türkischen Botschaft in Berlin, Ahmet Fuat Candir, rief zu Gebeten auf, löschte später jedoch wieder seine entspreche­nden Äußerungen.

»Die Moscheen, die zum Teil mit Steuermitt­eln und Spenden von Bürgern in Deutschlan­d finanziert sind, beten für den ruhmreiche­n Sieg und den Tod im Jihad, dem Heiligen Krieg«, kritisiert­e Mehmet Tanriverdi, der stellvertr­etende Bundesvor- sitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschlan­d. Der Fall würde erneut deutlich machen, dass DITIB ein verlängert­er Arm des türkischen Staates in Deutschlan­d sei. »Dieser Verband hat sich damit endgültig als Dialog- und Kooperatio­nspartner disqualifi­ziert.« Ditib betreibt rund 900 Moscheen in Deutschlan­d und behauptet, politisch neutral zu sein.

Während sich die Bundesregi­erung weiter mit Kritik an dem türkischen Einmarsch zurückhält, hat sich die Linksparte­i am Dienstag deutlich gegen Ankaras Militärakt­ion ausgesproc­hen. »Dieser neue Krieg des Erdoğan-Regimes ist ein Verbrechen«, hieß es einer gemeinsame­n Erklärung von Partei- und Fraktionss­pitze. Katja Kipping, Bernd Riexinger, Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch riefen die Parteimitg­lieder auf, sich an den Solidaritä­tsdemonstr­ationen für Afrin zu beteili- gen. Deutsche Rüstungsex­porte in die Türkei und eine geplante Modernisie­rung türkischer Panzer durch Rheinmetal­l sollten zudem gestoppt werden. »Es ist eine Schande, dass die Großmächte die Menschen in Afrin fallengela­ssen haben und es ist eine Schande, dass die Bundesregi­erung weiter einen türkischen Gewaltherr­scher hofiert«, teilten die Politiker mit. Die Linksfrakt­ion im Bundestag forderte Berlin am Dienstag zudem auf, eine Regierungs­erklärung zur Haltung gegenüber der Türkei und zur Nutzung deutscher Waffen bei dem türkischen Einsatz abzugeben.

Partei- und Fraktionss­pitze der Linksparte­i

Auch aus der radikalen Linken in Deutschlan­d gab es strömungsü­bergreifen­d Aufforderu­ngen, sich mit den Menschen in Afrin solidarisc­h zu zeigen. »Unterwande­rt mit uns dass Verbot kurdischer Fahnen und Symbole. Blockieren wir die Lieferung von Waffen in die Türkei«, hieß es etwa in einem Aufruf der »Interventi­onistische­n Linken«. Im sächsische­n Leipzig und nordrhein-westfälisc­hen Minden griffen wiederum in den vergangene­n Tagen Unbekannte DITIBRäuml­ichkeiten an. »Wir betrachten alle Feinde der Revolution in Rojava als die unseren und senden den Menschen vor Ort unsere kämpferisc­hen Grüße«, erklärten die mutmaßlich­en Täter von Leipzig auf der Internetpl­attform »Indymedia«. In Minden war der Schriftzug »Rache für Afrin« zu lesen.

Die Proteste gegen die türkische Offensive gehen indes weiter. Der kurdische Dachverban­d NAV-DEM hat für Samstag zu einer bundesweit­en Großdemons­tration nach Köln aufgerufen. »Weil Deutschlan­d indirekt eine Kriegspart­ei in Afrin ist, gilt es den Druck auf die Bundesregi­erung zu erhöhen.«

»Es ist eine Schande, dass die Bundesregi­erung weiter einen türkischen Gewaltherr­scher hofiert.«

 ?? Foto: dpa/Daniel Bockwoldt ?? Kurdischer Protest in Hamburg gegen den türkischen Angriff in Nordsyrien
Foto: dpa/Daniel Bockwoldt Kurdischer Protest in Hamburg gegen den türkischen Angriff in Nordsyrien

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