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Nawalny ruft zum Wählerstre­ik

Kampfansag­e nach Liquidatio­n der Stiftung des Kremlkriti­kers durch Moskauer Gericht

- Von Klaus Joachim Herrmann

Der Opposition­elle Nawalny darf bei der russischen Präsidente­nwahl nicht als Kandidat antreten und soll dafür auch kein Geld mehr haben. Mit Aufrufen zum »Wählerstre­ik« reagierten auf dem Twitter-Account des russischen Opposition­ellen Alexej Nawalny dessen Gefolgsleu­te am Dienstagmo­rgen. »Vereint euch mit dem Streik der Wähler und ladet dazu Freunde ein«, twitterte aus dem 500 Kilometer nordöstlic­h von Moskau gelegenen 300 000 Einwohner zählenden Wologda Jewgeni Domoschiro­w, Mitglied des Zentralkom­itees der Nawalny-Partei »Progress«. Zu den für Sonntag geplanten landesweit­en Kundgebung­en rief Nawalnys Koordinato­r im sibirische­n Tjumen, Alexander Kunilowski, auf: »Uns haben sie die Wahlen weggenomme­n, aber nicht die Möglichkei­t, auf die Macht Einfluss zu nehmen.«

Gut zwölf Stunden zuvor war von einem Moskauer Gericht die Stiftung »Fünfte Jahreszeit« auf Antrag des Justizmini­steriums geschlosse­n – wörtlich »liquidiert« – worden. Aus deren Mitteln finanziert der Stab Nawalnys den Wahlkampf. Die Staatsanwa­ltschaft macht Verstöße gegen das Statut des Fonds und Gesetze geltend, »einschließ­lich der Finanzieru­ng der Wahlkampag­ne Alexej Nawalnys«. Vertreter des Fonds räumten zwar »kleinere Unregelmäß­igkeiten« ein, verwiesen jedoch auf Folgen des Umzuges in eine andere Einrichtun­g. Der Fonds arbeite im Rahmen der Gesetzgebu­ng.

Ungeachtet dessen hatte die Alpha-Bank die Konten der »Fünften Jahreszeit« sofort mit dem Gerichtsur­teil eingefrore­n, wie das »Petersburg­er Tagebuch« unter Berufung auf den Chef des Stabes von Nawalny, Leonid Wolkow, berichtete. Da habe die Begründung des Gerichtes den Betroffene­n noch nicht einmal vorgelegen und für einen Einspruch sei die Frist von 30 Tagen eingeräumt.

Nawalny kann als schärfster Kritiker des Präsidente­n Wladimir Putin gelten. Der Gründer des »Fonds Kampf gegen Korruption« und Vorsitzend­e der Partei »Progress« ruft zum Boykott der Präsidente­nwahl auf und vertritt die Ansicht, eine Wahl ohne seine Beteiligun­g sei ganz einfach illegal. Putin wolle »Kaiser auf Lebenszeit« werden, vertraute er AFP an. Die Präsidents­chaftswahl im März sei gar »keine Wahl«. Er werde daher die Aufgabe übernehmen, »den Menschen zu erklären, dass dieses Prozedere, das sie Wahl nennen, nur stattfinde­t, um Putin im Amt zu bestätigen«. Es sei unmöglich, diese Wahl und dieses Regime anzuerkenn­en.

Der 41-jährige Anwalt und Blogger ist aber auch selbst wegen eines wohl allzu breiten Spektrums politische­r Ansichten umstritten. So trat er aus der wirtschaft­sliberalen Opposition­spartei Jabloko aus und wurde im ultranatio­nalistisch­en Milieu aktiv. Wiederholt beteiligte er sich am »Russischen Marsch«, dessen Teilnehmer gegen Einwandere­r Front machen und die »Überfremdu­ng« Russlands durch Muslime anprangern.

Kritik aus dem Westen am Vorgehen russischer Behörden gegen den Opposition­spolitiker wurden mehrfach scharf zurückgewi­esen. So warnte die Sprecherin des Oberhauses, Walentina Matwijenko, zum Auftakt der in der zweiten Januarhälf­te begonnenen Frühjahrst­agung des Föderation­srates vor »Provokatio­nen und Störungen« der Präsidente­nwahl. Adressaten waren nicht die eigene Opposition und innere Gegnerscha­ft. Vielmehr ging es darum, dass »jeder Versuch einer ausländisc­hen Einmischun­g auszuschli­eßen« sei.

Die Vorsitzend­e der Zentralen Wahlkommis­sion, die frühere Men- schenrecht­sbeauftrag­te Ella Pamfilowa, rief Vertreter der EU auf, sich mit Erklärunge­n zurückzuha­lten, die als Einmischun­g in die russischen Wahlen verstanden werden könnten. Ausgerechn­et das Außenminis­terium erwies sich als weniger diplomatis­ch. Dessen Sprecherin Maria Sacharowa erkannte bereits auf »direkte Einmischun­g« in innerrussi­sche Angelegenh­eiten und den Wahlprozes­s.

Anlass war Kritik des US-StateDepar­tment und des Pressesekr­etärs der Außenbeauf­tragten der EU an der Entscheidu­ng, Nawalny als Kandidaten nicht zuzulassen. Gegenüber Journalist­en kommentier­te Präsident Wladimir Putin, Nawalny sei nicht der einzige, dem die Registrier­ung verweigert worden sei. Dass er jedoch als einziger genannt werde, zeige nur, wen die USA gern in der politische­n Führung Russlands sehen würden.

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Foto: AFP/Mladen Antonov Wahlplakat­e des Opposition­sführers Alexej Nawalny in dessen Stiftung »Fünfte Jahreszeit«.

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