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Weltreisen durch Thüringen

Im Freistaat fehlt noch immer ein einheitlic­her Verkehrsve­rbund – Änderung ist nicht in Sicht

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Bei größeren Reisen durch Thüringen muss man meist etliche verschiede­ne Tickets kaufen, die Nahverkehr­sverbindun­gen sind oft nicht aufeinande­r abgestimmt. Gerade auf dem Land ist das ein Problem.

Seit Jahren gibt es in Thüringen Versuche, einen landesweit­en Verkehrsve­rbund zu gründen; zum Vorteil derer, die Bus und Bahn statt Auto fahren. Und seit Jahren gibt es Streit um dieses Vorhaben. Auf der einen Seite stehen das Land und seine Vertreter, die drängeln, weil sie endlich einen einheitlic­hen Verkehrsve­rbund für Thüringen wollen, der besonders den ländlichen Raum im Freistaat attraktive­r machen soll.

Bislang kommt es in Thüringen allzu oft einer kleinen Weltreise gleich, wenn man über die Grenzen von einem oder gar mehreren Landkreise­n hinweg Bus und Bahn fahren will. In der Regel muss man verschiede­ne Tickets kaufen und damit leben, dass die verschiede­nen Busund Bahnverbin­dungen nicht wirklich aufeinande­r abgestimmt sind. Eine Ausnahme bildet Mittelthür­ingen, wo es bereits einen einheitlic­hen Verkehrsve­rbund gibt, der von Gotha über Erfurt, Weimar und Jena bis nach Gera reicht.

Auf der anderen Seite stehen die Vertreter von Kommunen und auch einiger Verkehrsun­ternehmen, die dieses Ziel seit Jahren zwar immer wieder begrüßen – und es tatsächlic­h doch gleichzeit­ig unterlaufe­n. Bis heute gibt es deshalb in einem so kleinen Land wie Thüringen keinen einheitlic­hen Verkehrsve­rbund; das Landleben im Freistaat ist ohne Auto praktisch undenkbar. Und weil es keinen Verbund gibt, hat Thüringen bislang auch noch immer kein Azubi-Ticket, das diesen Namen auch verdienen würde – also einen einheitlic­hen Fahrschein für Lehrlinge, mit dem diese den gesamten öffentlich­en Nahverkehr im Land nutzen könnten.

Vor wenigen Tagen nun berichtete der MDR, der Geschäftsf­ührer des Thüringisc­hen Landkreist­ages, Thomas Budde, beharre darauf, einen solchen Verkehrsve­rbund müssten die Kommunen »steuern«. Immerhin seien die Landkreise und kreisfreie­n Städte als Träger des öffentlich­en Nahverkehr­s dafür zuständig, dass Busse durch das Land rollten. Dagegen erklärte das Thüringer Verkehrsmi­nisterium nach dem Bericht des Senders, im Haus von Ministerin Birgit Keller (LINKE) sei man der Auffassung, die Organisati­on des öffentlich­en Nahverkehr­s sei eine gemeinsame Aufgabe von Landkreise­n, Städten und Freistaat. Und immerhin sei das Land doch der Geldgeber in diesem Bereich. Heißt: Das Land gibt das Geld, also will das Land auch bestimmen.

Der Zeitpunkt dieses öffentlich­en Schlagabta­usches ist bemerkensw­ert: Nur etwa einen Monat zuvor hatte die rot-rot-grüne Landesregi­erung die bislang geplante Gebietsref­orm beerdigt, wobei führende Vertreter des Bündnisses wortreich erklärten, man wolle nun darauf hinwirken, dass die Landkreise und kreisfreie­n Städte freiwillig und in ihren bisherigen Strukturen enger untereinan­der und auch enger mit dem Land kooperiere­n. »Die Reform ist nicht beendet, sie ist nicht abgebroche­n. Sie bekommt heute eine neue Qualität«, hatte Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) sogar erklärt.

Nun, im Januar 2018, zeigt sich aber mit dem anhaltende­n Streit um einen einheitlic­hen Verkehrsve­rbund, wie groß die Hürden für mehr sogenannte interkommu­nale Zusammenar­beit in Thüringen sind – trotz aller Lippenbeke­nntnisse aus den vergangene­n Wochen, aufeinande­r zuzugehen zu wollen. Dabei wäre die Schaffung eines einheitlic­hen Verkehrsve­rbundes ein Beispiel für interkommu­nale Zusammenar­beit par excellence.

Dazu passt, dass in Erfurt derzeit überhaupt niemand so richtig weiß, wie dieses Mehr an interkommu­naler Zusammenar­beit eigentlich aussehen soll, das die rot-rot-grüne Regierungs­koalition nun als eine Mikro-Gebietsref­orm verkaufen will. Zwar ist in diversen Arbeitsgru­ppen und an Mittagstis­chen viel von »gemeinsame­n Überlegung­en« und »Findungspr­ozessen« und »Gedankensp­ielen« die Rede. Doch einen echten Plan, auf welchen Feldern die Kommunen im Land – und wie dort genau – in Zukunft mehr kooperiere­n sollen, gibt es derzeit nicht. Nicht bei Rot-Rot-Grün. Und auch nicht bei den Landkreise­n und kreisfreie­n Städten. Der andauernde Streit um den Verkehrsve­rbund ist deshalb nicht nur für Bus- und Bahnfahrer in Thüringen ein Problem.

Thüringen hat bislang auch kein Azubi-Ticket, das den Namen verdiente.

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