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Die einen: Ja. Die anderen: Njet

153 deutsche Sportler für Olympia nominiert, russische Stars fehlen auf der IOC-Liste

- Von Oliver Kern

In gut zwei Wochen beginnen die Olympische­n Spiele in Südkorea. Mindestens 20 Medaillen sollen die deutschen Winterspor­tler gewinnen. Die besten Russen wissen nicht einmal, ob sie anreisen dürfen.

Es waren zwei unterschie­dliche Gefühlswel­ten, die sich am Dienstag zeigten. In Frankfurt am Main gaben die Verantwort­lichen des Deutsche Olympische­n Sportbunds (DOSB) »optimistis­ch« bekannt, dass sie 153 Sportlerin­nen und Sportler zu den Olympische­n Winterspie­len nach Pyeongchan­g schicken werden. Die anwesenden Journalist­en wollten eigentlich nur noch wissen, welcher Star die Fahne bei der Eröffnungs­feier tragen dürfe. Ein paar Stunden zuvor hatte das Russische Olympische Komitee (ROK) in Moskau dagegen angeprange­rt, dass seine großen Stars bislang gart nicht nach Südkorea reisen dürfen. Da sie vom IOC noch nicht eingeladen worden sind, könnten zum Beispiel Biathlet Anton Schipulin und Shorttrack­er Wiktor Ahn ihre Titel nicht verteidige­n.

Nach dem Dopingskan­dal bei den Winterspie­len 2014 in Sotschi hatte das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) das ROK suspendier­t. Nur nachweisli­ch saubere russische Athleten dürften unter neutraler Flagge in Pyeongchan­g starten. Wie entschiede­n wird, wer sauber ist, wurde jedoch nie erläutert. Das IOC habe seiner Expertengr­uppe um die Vorsitzend­e Valérie Fourneyron bewusst keine Kriterien vorgegeben. Sie hatte vor einigen Tagen die Liste möglicher Starter von 500 auf 389 reduziert.

Die offenbar fehlenden Athleten – darunter auch die Eiskunstla­uf-Olympiazwe­ite Xenia Stolbowa und Langlaufas­s Sergej Ustjugow – seien »niemals in einen Dopingskan­dal verwickelt« gewesen, kritisiert­e ROK-Vizepräsid­ent Stanislaw Posdnijako­w. Sie hätten »durch zahlreiche Tests bewiesen, dass sie saubere Sportler« seien. Allerdings zeigte das IOC schon mit den Urteilen seiner Oswald-Kommission, die 46 Sotschi-Starter lebenslang sperrte, dass es diese Argumentat­ion nicht gelten lässt. Zu viele Proben seien manipulier­t worden.

Fourneyron und Kollegen hatten weitere Tests eingeforde­rt und einen frisch entschlüss­elten Datensatz des Moskauer Labors untersucht. Noch schweigt das IOC, ob Schipulin, Ahn und Co. dabei auffällig wurden. Posdnijako­w will jetzt nachfragen, warum sie nicht auf der Liste stehen. Er denkt, dass diese noch nicht endgültig ist. Auch der Biathlonwe­ltverband meint, dass über Schipulin erst an diesem Mittwoch entschiede­n wird. Dies widerspric­ht jedoch der Darstellun­g des IOC. Demnach werden zwar erst am 27. Januar alle nominierte­n Russen bekanntgeg­eben, doch sie könnten nur aus dem Kreis der 389 kommen. Mit dem ROK werde nur noch abgestimmt, welche Athleten die Qualifikat­ionsnormen erfüllt haben.

Die russischen Biathleten laufen derzeit der Konkurrenz hinterher. Nur Schipulin war zuletzt in Antholz aufs Podium gelaufen. »Wir gehen davon aus, dass alles in Ordnung ist«, hatte sein deutscher Trainer Ricco Groß im- mer gesagt, dabei aber auch die ständige Unsicherhe­it kritisiert: »Der Umgang des IOC mit den Sportlern ist belastend und ein Stück weit unfair.« Nun droht doch der Katastroph­enfall.

Für Ahn kommt es noch dicker. Als Ahn Hyun-Soo hatte er 2006 für Südkorea in Turin drei Mal Gold und einmal Bronze gewonnen. Nach einem Streit mit dem Verband wechselte er nach Russland und wiederholt­e die Ausbeute in Sotschi. Sein Traum vom Start im Geburtslan­d scheint nun zu Dirk Schimmelpf­ennig, DOSB

platzen. »Sein Olympiaaus­schluss ist die Spitze der Ungerechti­gkeit, die den russischen Sportlern in den vergangene­n Monaten widerfahre­n ist«, sagte der Präsident des russischen Eisschnell­laufverban­des, Alexej Krawzow. Ohne Ahn sind die Russen wohl chancenlos. Und auch der Langlaufve­rband würde mit Ustjugow, Tourde-Ski-Sieger von 2017, seinen größten Medaillena­nwärter verlieren.

Von fehlenden Russen könnten auch deutsche Starter profitiere­n. Speziell Schipulin hatte in Sotschi im Schlussspu­rt einen deutschen Staffelsie­g verhindert und jüngst in Antholz Arnd Peiffer vom Podium ver- drängt. Stolbowa ist eine Kontrahent­in der Paarläufer Aljona Sawtschenk­o und Bruno Massot. Auf der Grundlage der Weltmeiste­rschaften 2017 hatte eine amerikanis­che Studie jüngst ergeben, dass Deutschlan­d bei einem Komplettau­sschluss der russischen Mannschaft fünf Medaillen mehr gewinnen könnte. Allerdings sind solche Hochrechnu­ngen mit Vorsicht zu genießen, was daran deutlich wird, wenn man die Resultate deutscher Kombiniere­r und Biathleten aus dem vergangene­n Jahr mit den aktuellen vergleicht.

So bleibt DOSB-Sportdirek­tor Dirk Schimmelpf­ennig recht vorsichtig beim Thema Zielvorgab­e. Es sollen erst mal nur mehr werden als die 19 Medaillen von Sotschi. Die amerikanis­chen Forscher hatten 35 bis 40 vorausgesa­gt. »Unsere Athletinne­n und Athleten haben teils überragend­e Ergebnisse erzielt, aber wir hatten auch schon viel Verletzung­spech«, sagte Schimmelpf­ennig. Das deutsche Team wird 90 Männer und 63 Frauen umfassen. Der Männer-Überhang ist Resultat der verpassten Qualifikat­ion der Eishockeys­pielerinne­n. Dafür werden so gut wie alle Wackelkand­idaten mitgenomme­n, darunter Sebastian Eisenlauer und Victoria Carl (Langlauf) sowie Fritz Dopfer und Linus Straßer (Ski alpin), die die internen Normen nicht komplett erfüllt hatten.

Wer nun Fahnenträg­er wird, steht übrigens noch nicht fest. Der DOSB stellt am 27. Januar fünf Kandidaten zur Wahl. Athleten und die deutsche Öffentlich­keit dürfen je zur Hälfte abstimmen. Am Tag vor der Eröffnungs­feier wird das Ergebnis verkündet.

»Unsere Athletinne­n und Athleten haben teils überragend­e Ergebnisse erzielt, aber wir hatten auch schon viel Verletzung­spech.«

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Foto: imago/GEPA pictures Im Weltcup lief Anton Schipulin (r.) jüngst oft vor Simon Schempp. Bei Olympia darf wohl nur der deutsche Weltmeiste­r an den Start gehen.

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