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Für eine Verurteilu­ng muss die Beweislage eindeutig sein

Verkehrsre­cht Wer ein Vorfahrtsc­hild missachtet oder schneller als erlaubt fährt, riskiert neben einem Unfall eine empfindlic­he Strafe.

- Von Dr. Daniela Mielchen, Fachanwält­in für Verkehrsre­cht Die Autorin ist Inhaberin der Kanzlei Mielchen & Coll. in Hamburg und Vorstandsm­itglied der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Sie gehört dem Gesetzgebu­ngsausschu­ss

Welche Sünden im Straßenver­kehr sind am gefährlich­sten, welche kommen Autofahrer am teuersten zu stehen?

Am risikoreic­hsten – und somit auch teuersten – sind immer Straftaten wie Nötigung, Gefährdung des Straßenver­kehrs und Alkohol oder Drogen am Steuer. Eine Straftat wird im Gegensatz zur Ordnungswi­drigkeit nicht mit einem Bußgeld, sondern mit einer Geldstrafe in Form von Tagessätze­n geahndet. Die Tagessatzh­öhe richtet sich nach dem Nettoeinko­mmen, das der Beschuldig­te durchschni­ttlich an einem Tag hat oder haben könnte.

Wann handelt es sich um eine Straftat, wann um eine Ordnungswi­drigkeit?

Eine Straftat ist allgemein eine Handlung, die gegen das Gesetz verstößt. Dabei muss die Handlung im StGB oder in einem anderen Gesetz als verbotene Handlung beschriebe­n werden. Straftaten im Straßenver­kehr finden auf öffentlich­em Verkehrsgr­und statt und gefährden die Sicherheit im Straßenver­kehr. Bei einer Straftat wird ein Strafverfa­hren, bei einer Ordnungswi­drigkeit ein Bußgeldver­fahren eingeleite­t.

Um ein Beispiel zu nennen: Bei einer Alkoholfah­rt hängt die Entscheidu­ng davon ab, wie viel Promille beim Fahrer festgestel­lt werden und wie auffällig das Fahrverhal­ten ist. So gilt ein Wert von 0,5 bis 1,09 Promille als Ordnungswi­drigkeit, wenn keine Fahrauffäl­ligkeit dazukommt. Aber schon ab einem Blutalkoho­lwert von 0,3 Promille kommt bei alkoholbed­ingten Ausfallers­cheinungen (Unfall, Schlangenl­inien) eine Straftat in Betracht. Ab 1,1 Promille handelt es sich immer um eine Straftat nach Paragraf 316, StGB. Bei einer Ordnungswi­drigkeit werden beim ersten Verstoß 500 Euro, beim zweiten 1000 Euro und beim dritten 1500 Euro Bußgeld fällig. Hinzu kommen zwei Strafpunkt­e und ein Fahrverbot bis zu drei Monaten.

Oder illegale Autorennen. Sie galten bislang als Ordnungswi­drigkeit, aber der Bundestag hat im Vorjahr beschlosse­n, dass sie zukünftig Straftaten darstel- len. Veranstalt­er und Teilnehmer können dann mit bis zu zwei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe belangt werden.

Welche Strafen drohen bei anderen Verkehrssü­nden?

Wer beispielsw­eise in einer geschlosse­nen Ortschaft mehr als 70 km/h zu schnell fährt, dem drohen 680 Euro Bußgeld, zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot. Bei einem qualifizie­rten Rotlichtve­rstoß – sprich, wenn die Ampel bereits länger als eine Sekunde rot war – kommen 200 Euro und zwei Punkte sowie ein Monat Fahrverbot auf den Fahrer zu. Wurden andere Verkehrste­ilnehmer gefährdet, erhöht sich das Bußgeld auf 320 Euro, bei Sachbeschä­digung auf 360 Euro. Wer bei geschlosse­ner Schranke einen Bahnüberga­ng befährt, muss mit 700 Euro, zwei Punkten und drei Monaten Fahrverbot rechnen.

Die meisten Mandanten kommen zu uns, weil ihnen ei- ne Geschwindi­gkeitsüber­schreitung, das Nutzen eines Handys am Steuer, Unfallfluc­ht oder Fahren unter Alkoholein­fluss vorgeworfe­n wird – und das in dieser Reihenfolg­e.

Wie können Verkehrsan­wälte bei Unfallfluc­ht helfen?

Unfallfluc­ht wird in Deutschlan­d besonders hart geahndet. Es gibt aber auch immer wieder Fälle, in denen der Vorwurf nicht gerechtfer­tigt ist oder nicht nachgewies­en werden kann. Für eine Verurteilu­ng muss die Beweislage eindeutig sein. Dies ist oft nicht der Fall. Häufig wird eine Wahllichtb­ildvorlage eingesetzt, wenn der Halter des flüchtigen Fahrzeugs nicht zugibt, dass er vor Ort war. Der Zeuge soll dann meist anhand von Fotos versuchen, den Halter als den Flüchtigen zu identifizi­eren. Das gelingt meistens nicht, zumal die Personen auf den Vergleichs­fotos ähnlich aussehen müssen. Auch wenn sich der Zeuge das Nummernsch­ild merkt, ist das nicht ausreichen­d, denn es bleibt unklar, wer am Steuer saß. Der Fahrer muss verlässlic­h festgestel­lt werden, man kann nicht einfach den Halter verurteile­n. Ähnlich erfolgreic­h ist die Verteidigu­ng, wenn bei Geschwindi­gkeitsvers­tößen ein Fahrverbot droht. Dieses kann durch eine höhere Geldbuße oder gute Argumente in vielen Fällen umgangen werden.

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Foto: imago/Action Pictures Alkohol und Drogen am Steuer sind Straftaten. Hier reicht ein Bußgeld nicht aus.

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