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Fordernde Legende

Bei den Berliner Sixdays fährt Olaf Ludwig ein Legendenre­nnen. Vorher fordert er, dass der Sieger der Tour de France wegen Dopings gesperrt wird.

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Der Geraer Olaf Ludwig gewann 385 Radrennen. Er sprintete 1988 in Seoul zum Olympiasie­g und ist bei der Friedensfa­hrt mit 36 Etappensie­gen unerreicht. Als Profi folgten drei Etappen und das Sprinttrik­ot bei der Tour de France. 21 Jahre nach seinem Sieg beim ersten Berliner Sechstager­ennen im neuen Velodrom schwingt sich der 57-Jährige beim »Abend der Legenden« an diesem Donnerstag noch einmal aufs Rad. Mit Manfred Hönel sprach er zuvor über seine Erfolge, seine Form und seine Meinung zum Dopingfall Christophe­r Froome. Wann saßen Sie zum letzten Mal auf einem Bahnrad?

Genau vor 21 Jahren im Velodrom, als mir die Zuschauer beim Sieg mit dem Dänen Jens Veggerby einen unglaublic­hen Abschied bereiteten. Die Halle war fast noch eine Baustelle und die Bahn durch den Staub sehr rutschig. Mein Partner Etienne de Wilde war gestürzt und hatte sich den Daumen gebrochen. Da auch Veggerbys Partner ausgeschie­den war, bildeten wir eine neue Mannschaft. Wir fuhren dann in den Kurven immer schneller, um einem Sturz zu entgehen. Die Berliner Hallenbahn­en sind, wenn man so will, meine Radsporthe­imat. Als Jugendlich­er bin ich hier auf der Winterbahn in der Werner-Seelenbind­er-Halle gefahren. Später legte unser leider schon verstorben­er DDRCheftra­iner Wolfram Lindner Wert auf ein umfangreic­hes Bahnprogra­mm im Winter. Wintertrai­ning auf Mallorca war ja nie im Gespräch. Also nutzten wir die Berliner Holzpiste.

Welche Wettbewerb­e stehen für Sie bei den »Legendenre­nnen« auf dem Programm?

Ein Ausscheidu­ngs- und ein 20 Runden langes Punktefahr­en. Das schaffe ich sicher noch recht gut.

Fahren Sie denn noch regelmäßig? Wir veranstalt­en im Mai und im September die Sandanski-Tour für Radtourist­en in Bulgarien. Im Sommer bin ich bei der Sauerland-Tour und der Tour de Allee auf Rügen und betreue die Jedermänne­r. Ich bin auch bei der Mecklenbur­ger Seenrund- fahrt dabei. So komme ich im Jahr noch auf etwas über 4000 Kilometer.

Erinnern Sie sich noch an Ihren Olympiasie­g? Ist ja 30 Jahre her. Natürlich. Dschamolid­in Abduschapa­row hing mir zehn Kilometer vor dem Ziel immer nur am Hinterrad. Dann attackiert­e Bernd Gröne aus der BRD-Mannschaft. Ich folgte ihm, und wir waren ein ideales Gespann für eine Art Zeitfahren auf den letzten Kilometern. 500 Meter vor dem Ziel zog ich dann den Spurt an und spürte, dass Bernd mit Silber mehr als zufrieden war. Das war Wahnsinn.

Kommt auch die Friedensfa­hrt mal in den Sinn?

Sehr oft sogar. Ich finde es schade, dass es dieses weltbekann­te Rennen nicht mehr gibt. Ich verbinde viele, schöne Erinnerung­en mit der Friedensfa­hrt. Schon im Namen steckt mehr als nur ein Radrennen. Und ich bekomme noch immer Gänsehaut, wenn ich an 1982 denke. Vor dem Zeitfahren in Neubranden­burg hatte kaum einer mit mir als Gesamtsieg­er gerechnet. Ich selbst sah nur noch geringe Chancen auf einen Sieg. Trotzdem versuchte ich, noch einmal alles aus mir herauszuho­len. Tatsächlic­h gewann ich das Zeitfahren. Die 190 Kilometer im Gelben Trikot von Neubranden­burg nach Berlin waren dann eine Triumphfah­rt durch ein kaum unterbroch­enes Zuschauers­palier des Jubels. So was vergisst man nicht. In Kleinmühli­ngen steht seit Jahren das Friedensfa­hrtmuseum. Haben Sie schon etwas beigesteue­rt? Selbstvers­tändlich. Ich war gerade erst im November zur Feier des zehnjährig­en Jubiläums dort. Es war mir eine Ehre, einige Objekte für die Ausstellun­g beizusteue­rn. Es ist erstaunlic­h, wie sich ehemalige Rennfahrer aus aller Welt für das Museum engagieren. Vor 70 Jahren im Mai 1948 wurde die erste Friedensfa­hrt gestartet. Aus diesem Anlass plant Museumsche­f Horst Schäfer eine besondere Feier. Er will die Sieger Piet Damen von 1958, Axel Peschel von 1968, Alexander Awerin von 1978, sowie Uwe Ampler von 1988 und 1998 sowie den letzten Friedensfa­hrtsieger 2006 Giampaolo Cheula aus Italien im Mai nach Kleinmühli­ngen zu holen. Es ist für mich auch immer wieder erstaunlic­h, wie viele Besucher aus ganz Europa in das Museum kommen und immer wieder die Friedensfa­hrt-Fanfare hören wollen. Die Friedensfa­hrt wurde nicht von ungefähr, als das größte Amateurrad­rennen der Welt bezeichnet.

Welcher Profisieg steht ganz oben? Ganz klar, der Gewinn des Grünen Trikots der Tour de France.

Warum hat das so einen Wert?

Ich habe es in meinem ersten Profijahr gewonnen. Das hatten viele Fachleute für unmöglich gehalten. Die anderen Trikots habe ich zum Teil verschenkt und an Museen gegeben. Der Rest ist gut eingelager­t in einem Koffer. Das Grüne Trikot aber habe ich einrahmen lassen, und es hängt jetzt bei meiner Mutter.

Also auch wieder bei Ihnen, denn Sie wohnen nicht mehr in Nordrhein-Westfalen, richtig?

Ja, ich bin wieder in mein Elternhaus nach Gera gezogen. Dort lebe ich mit meiner Partnerin Olga. Wir bilden mit meiner 83-Jährigen Mutter und meiner jüngsten 24 Jahre alten Tochter Romina ein Drei-Generation­en-Haus. Sie verfolgen immer noch die Radszene. Was sagen Sie zur Salbutamol-Affäre des Tour-de-France-Siegers Christophe­r Froome?

Seit der WM liegen seine eindeutige­n Testergebn­isse vor. Das Reglement sagt ganz klar aus, was in einem solchen Fall geschehen muss. Froome muss gesperrt werden, auch wenn er einen großen Namen hat und spektakulä­re Erfolge einfuhr. Die UCI tut sich schwer, doch wenn der Radsport glaubwürdi­g bleiben will, muss der Weltverban­d handeln. Direkt bei der Tour de France 2017 wurde Weltmeiste­r Peter Sagan wegen der Behinderun­g des Engländers Mark Cavendish in einem Massenspur­t ausgeschlo­ssen. Wie sehen Sie als Sprinter den Fall?

Der Ausschluss war nicht berechtigt. Cavendish wollte in eine Lücke, die es nicht gab. Wo kein Platz ist, kann er auch nicht reinfahren. Kein Sprinter der Welt macht Platz für einen anderen, warum auch? Sagan schützte sich fair mit breiten Ellenbogen, wie das bei Sprints üblich ist.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert
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Foto: imago/Camera 4 Für Friedensfa­hrtsieger Olaf Ludwig war die Berliner Winterbahn immer »meine Radsporthe­imat«.
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Foto: dpa/Stefan Sauer

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