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Behörden senden mehr stille SMS

Linksparte­i kritisiert Anstieg der digitalen Überwachun­g

- Von Sebastian Bähr Mit Agenturen

Berlin. Die deutschen Sicherheit­sbehörden nutzen immer häufiger Handydaten zur Überwachun­g ihrer Nutzer. Der Bundesverf­assungssch­utz verschickt­e im zweiten Halbjahr 2017 knapp 180 000 »stille SMS«, wie aus der Regierungs­antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der Linksparte­i hervorgeht. Auch beim Bundeskrim­inalamt gab es eine Steigerung. »Die digitale Privatsphä­re wird weiter ausgehöhlt«, kritisiert­e der LINKE-Abgeordnet­e Andrej Hunko. Im zweiten Halbjahr 2016 hatte der Verfassung­sschutz die »stille SMS« in rund 144 000 Fällen angewandt. Beim BKA stieg die Zahl im selben Zeitraum um 5000 auf fast 22 000. Eine »stille SMS« ist für den Empfänger nicht erkennbar. Der Mobilfunka­nbieter erhält allerdings Verbindung­sdaten, die ausgewerte­t werden können. Dadurch kann der Nutzer geortet werden. Auch bei den Funkzellen­abfragen, bei denen die Netzbetrei­ber auf Anfrage alle Handynumme­rn herausgebe­n, gibt es der Regierungs­antwort zufolge eine deutliche Steigerung.

Deutsche Sicherheit­sbehörden nutzen immer häufiger digitale Überwachun­gsinstrume­nte, um Verdächtig­e zu lokalisier­en. Die deutschen Sicherheit­sbehörden nutzen einem Medienberi­cht zufolge vermehrt Handydaten, um Verdächtig­e zu orten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion hervor. Das »Handelsbla­tt« hatte zuerst darüber berichtet. Der Verfassung­sschutz verschicke demnach sehr viel mehr sogenannte stille SMS, um Personen zu orten. Im zweiten Halbjahr 2017 habe der deutsche Inlandsgeh­eimdienst rund 180 000 solcher heimlichen Nachrichte­n an Mobiltelef­one von Verdächtig­en versandt. Im Vorjahresz­eitraum setzte die Behörde dieses Ermittlung­sinstrumen­t etwa 144 000 Mal ein.

Die LINKE kritisiert­e die neuen Zahlen zur Nutzung von Mobiltelef­onen als Ortungswan­zen. »Handys sind zum Telefonier­en da, nicht um deren Besitzer heimlich zu verfolgen«, sagte der Bundestags­abgeordnet­e Andrej Hunko. »Durch die neuen Fähigkeite­n von Polizei und Geheimdien­sten wird das Vertrauen in die digitale Privatsphä­re weiter ausgehöhlt – die Spitzelei ist kaum kontrollie­rbar.«

Laut dem Zeitungsbe­richt nutzte auch das Bundeskrim­inalamt (BKA) die Fahndungsm­ethode der stillen SMS stärker als zuvor: Das BKA habe in den vergangene­n sechs Monaten des Jahres 2017 so fast 22 000 solcher Kurzmittei­lungen versandt – rund 5000 mehr als im zweiten Halbjahr 2016.

Aus Sicht der Linksparte­i ist das digitale Überwachun­gsinstrume­nt rechtswidr­ig. Polizei und Geheim- dienste dürften die Kommunikat­ion von Telefonen nur passiv abhören. Als Ortungsimp­ulse werden die stillen SMS aber von den Behörden selbst erzeugt – so würden sie zum aktiven Vorgang. »Als erster Schritt muss für die Behörden eine grundsätzl­iche Benachrich­tigungspfl­icht der Betroffene­n eingeführt werden«, forderte Hunko. Sämtliche digitalen Ermittlung­sinstrumen­te müssten auf Rechtslück­en überprüft werden, so der Politiker. »Die Anfrage zeigt, dass unsere Vorsicht bei der Einführung neuer digitaler Spähwerkze­uge berechtigt ist.«

Der LINKE-Abgeordnet­e kritisiert­e weiter, dass die Nutzung von stillen SMS durch den Zoll seit Jahren als Verschluss­sache eingestuft ist. Einen nachvollzi­ehbaren Grund würde das Finanzmini­sterium nicht liefern. Zudem gebe es keine Angaben zur Verwendung des Überwachun­gsinstrume­ntes durch den Bundesnach­richtendie­nst, obwohl auch dieser Mobiltelef­one zur Ortung einsetzen soll. »Ich kritisiere das Auskunftsv­erhalten der Bundesregi­erung«, so Hunko.

Auch bei Funkzellen­abfragen sei die Überwachun­g laut dem Medienberi­cht ausgedehnt worden. Der Netzbetrei­ber gibt dabei auf Anfrage alle Handynumme­rn heraus, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle eingebucht waren. Das BKA habe in der zweiten Jahreshälf­te 2017 insgesamt 376 Mal davon Gebrauch gemacht, ein Jahr zuvor nur einmal. Die Bundespoli­zei nutze den sogenannte­n Imsi-Catcher zum Abhören von Telefonges­prächen besonders häufig – 61 Mal kam das Überwachun­gsinstrume­nt zuletzt zum Einsatz. 2016 hatte es nur acht Fälle gegeben, in denen auf die Methode zurückgegr­iffen wurde.

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