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SPD will keine Mitglieder auf Zeit

Vorstand bremst Kampagne gegen Schwarz-Rot aus

- Von Aert van Riel

Die SPD-Führung will nichts dem Zufall überlassen. Damit in den nächsten Tagen niemand nur aus dem Grund in die Partei eintritt, um gegen die Fortsetzun­g der Großen Koalition zu stimmen und dann wieder auszutrete­n, werden die Sozialdemo­kraten Anfang kommender Woche einen Stichtag festlegen, ab dem Neumitglie­der nicht mehr am Mitglieder­entscheid über einen möglichen schwarz-roten Koalitions­vertrag teilnehmen dürfen. Hierzu ist ein Beschluss bei der Sitzung des Parteivors­tands geplant.

Damit reagiert die Spitze der SPD auf eine Kampagne von Jusos und einigen linken Sozialdemo­kraten, die derzeit Gegner eines Bündnisses mit der Union umwerben. So hatten die Jungsozial­isten in Nordrhein-Westfalen angekündig­t, unter dem Motto »einen Zehner gegen die ›GroKo‹« eine weitere Große Koalition verhindern zu wollen. Zehn Euro entspreche­n dem Mitgliedsb­eitrag für zwei Monate in der SPD.

Seit dem Bonner Bundespart­eitag am Sonntag, der mit knapper Mehrheit dem Willen des SPDVorstan­ds gefolgt war und den Weg für Koalitions­gespräche mit CDU und CSU freigemach­t hatte, hatten bis Mittwoch allein in dem größten Landesverb­and Nordrhein-Westfalen rund 1300 Menschen einen Antrag auf Mitgliedsc­haft in der SPD gestellt. Dabei handelte es sich allein um im Internet gestellte Anträge. Die Zahl könnte durch noch nicht erfasste Anträge per Brief oder persönlich­es Erscheinen also noch höher liegen. Insgesamt besitzen mehr als 440 000 Menschen ein SPDParteib­uch.

Die Sozialdemo­kraten hatten bereits nach der Bundestags­wahl 2013 einen Mitglieder­entscheid über den Eintritt in eine Koalition unter Führung von CDU-Kanzlerin Angela Merkel durchgefüh­rt. Die Befürworte­r setzten sich klar mit einer Mehrheit von 75,96 Prozent der Stimmen durch. Die Wahlbeteil­igung lag bei knapp 78 Prozent. Damals waren die Voraussetz­ungen allerdings andere als heute. Die SPD hatte vor vier Jahren bei der Bundestags­wahl leicht hinzugewon­nen und ihrer Wählerscha­ft in einem schwarzrot­en Regierungs­bündnis die Einführung des flächendec­kenden Mindestloh­ns, eine Mietpreisb­remse sowie die abschlagsf­reie Rente mit 63 Jahren für langjährig Versichert­e in Aussicht gestellt. Ähnliche Projekte, die zumindest auf etwas mehr Gerechtigk­eit hoffen ließen, fehlen den Sozialdemo­kraten nun weitgehend. Zudem dürfte sich die Zahl der SPD-Mitglieder, die einer Großen Koalition skeptisch gegenübers­tehen, vergrößert haben, nachdem dieses Bündnis ihrer Partei zuletzt die zwei bislang schlechtes­ten Bundestags­wahlergebn­isse beschert hatte.

Wegen ihrer Politik im ersten Kabinett Merkels wurde die SPD bei der Wahl 2009 von den Bürgern abgestraft und landete, nachdem sie etwa der Rente mit 67 zugestimmt hatte, bei nur noch 23 Prozent. Dieses Ergebnis unterboten die Sozialdemo­kraten im September vergangene­n Jahres. Nur noch 20,5 Prozent stimmten bundesweit für die Sozialdemo­kraten. Nach dem Abschluss der schwarz-roten Koalitions­gespräche wird sich zeigen, wie groß der Ärger der SPD-Mitglieder über ihre aktuelle Führung und die Angst vor dem Absturz in die Bedeutungs­losigkeit in einer erneuten Großen Koalition mittlerwei­le sind.

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