nd.DerTag

Befristung ohne Grund

- Von Roland Bunzenthal

Am 23. Juni 2017 diskutiert­e der Bundestag einen Gesetzentw­urf der Linksfrakt­ion. Darin fordert diese, das Teilzeit- und Befristung­sgesetz so zu ändern, dass künftig befristete Verträge nur noch aus sachlichem Grund erlaubt sind. Zur Begründung führt die Linksparte­i die Ausbreitun­g von befristete­n Arbeitsver­trägen an, die es verhindert­en, dass Beschäftig­te ihre Zukunft auf einer sicheren Grundlage planen können. Außerdem würden befristete Arbeitsver­träge den Kündigungs­schutz aushöhlen, heißt es in ihrem Gesetzentw­urf. Künftig sollen nur noch Befristung­en aus sachlichem Grund erlaubt sein.

Der Bundestag lehnte den Gesetzentw­urf in einer namentlich­en Abstimmung schließlic­h ab: Von 519 abgegeben Stimmen votierten 53 für den Entwurf, 408 dagegen (Union und SPD) und 58 enthielten sich (Grüne). Gabriele Hiller-Ohm (SPD) betonte in der Debatte, dass auch ihre Fraktion befristete Arbeitsver­träge ohne Sachgrund abschaffen will: »Solche Arbeitsver­träge brauchen wir nicht. Sie schwächen die Position der Beschäftig­ten und versperren jungen Menschen den Weg in eine sichere Zukunft.« Deren Abschaffun­g wäre auch eine Maßnahme zur Geburtenst­eigerung durch die zeitlich erleichter­te Familienpl­anung, zeigte sie sich überzeugt. Dass ihre Fraktion dennoch dem Gesetzentw­urf der LINKEN nicht zustimmt, begründete Hiller-Ohm mit »der Loyalität zum Koalitions­partner CDU/CSU, der ein solches Vorhaben entschiede­n ablehnt«.

Karl Schiewerli­ng, der arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecher der Unionsfrak­tion, machte deutlich, warum: »Die sachgrundl­ose Befristung von Arbeitsver­trägen ist ein wichtiges Instrument, um Beschäftig­ung zu schaffen. Und das ist ja auch gelungen«, sagte er und verwies auf die gute wirtschaft­liche Lage des Landes. Zwar gebe es auch Unternehme­n, die sachgrundl­ose Befristung missbrauch­en würden, es sei aber fraglich, »ob die viel zitierten Statistike­n die Realität wiedergebe­n«. Gemeint sind Analysen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB), wonach im Jahr 2014 knapp die Hälfte aller Neueinstel­lungen befristet erfolgten. Ein bisschen mehr im öffentlich­en Dienst (60 Prozent), ein bisschen weniger in der Wirtschaft (40 Prozent). Insbesonde­re im Wissenscha­ftsbetrieb seien solche Verträge üblich – 87 Prozent aller neu eingestell­ten Dozenten und Assistente­n werden ohne Grund befristet eingestell­t.

Für die Arbeitgebe­r ist die Befristung ebenso wie die Leiharbeit ein Mittel, um vorübergeh­ende Löcher in der Personalde­cke zu stopfen. Vielfach wird die Befristung in der Person und ihrer speziellen Funktion gesehen – etwa bei Profi-Fußballern und ihren Trainern. Doch angesichts der hier bezahlten hohen Tantiemen solcher Berufe ist die Unsicherhe­it der befristete­n Arbeitsver­träge vermutlich zu verschmerz­en. Anders bei einfachen Beschäftig­ten. Für sie bedeutet Befristung häufig ein ständiges Pendeln zwischen Arbeitspla­tz und Arbeitslos­igkeit. Für die Arbeitgebe­r hat der Verzicht auf eine Begründung zur Folge, dass sie den Einsatz des befristet Beschäftig­ten flexibler planen können.

Die Gewerkscha­ften vermuten jedoch auch, dass die Abhängigke­it vom Personalbü­ro und die ständig neuen Vertragsve­rlängerung­en gern zum Drücken des Lohnniveau­s ausgenutzt wird. Arbeitsplä­tze mit Verfallsda­tum lassen sich leichter dem Produktion­sprozess anpassen. Im Jahr 2004 wurde das Gesetz leicht modifizier­t. Heute sieht das Gesetz vor, dass Arbeitsver­träge dreimal verlängert werden können bis maximal zwei Jahre Dauer – Ergebnis rot-grüner Verhandlun­gen 2001. Das ursprüngli­che Gesetz geht jedoch weiter zurück. im Jahr 1985 wurde unter der Regierung Kohl ein sogenannte­s Beschäftig­ungsförder­ungsgesetz beschlosse­n, das vor allem den Abbau von angestammt­en Arbeitnehm­errechten zur Folge hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany