nd.DerTag

Streit um Chemiewaff­en

Neue Initiative gegen Straflosig­keit

- Von Olaf Standke

In Moskau ist man empört. US-Außenminis­ter Rex Tillerson hatte den Kreml beschuldig­t, für Chemiewaff­en-Opfer in Syrien mitverantw­ortlich zu sein. Schließlic­h habe Russland 2013 garantiert, dass die verbündete Regierung in Damaskus Angriffe mit C-Waffen beendet. Die Bestände sollten im Ausland vernichtet werden. Mit seinen Vorwürfen versuche Washington nur, Russland in ein schlechtes Licht zu rücken und die für Ende Januar geplante SyrienKonf­erenz in Sotschi zu behindern, konterte Vizeaußenm­inister Sergej Rjabkow am Mittwoch. Präsidente­nsprecher Dmitri Peskow nannte die Vorwürfe »haltlos«.

Hintergrun­d ist eine Konferenz in Paris, mit der 24 Staaten auf Initiative Frankreich­s am Dienstag eine Partnersch­aft gegen die Straflosig­keit nach dem Einsatz von Chemiewaff­en ins Leben gerufen haben. Auch Deutschlan­d ist dabei; Russland nicht. Dieser neue Mechanismu­s jenseits bisheriger internatio­naler Strukturen soll Informatio­nen über die Verantwort­lichen für chemische Angriffe sammeln und austausche­n. Das Mandat für das Ermittlert­eam Joint Investigat­ive Mechanism (JIM) der Vereinten Nationen und der Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en (OPCW) ist im Vorjahr ausgelaufe­n.

Auf einer Webseite werden Einzelpers­onen, Gruppen und Regierunge­n benannt, gegen die Sanktionen in Kraft sind. Paris verhängte neue Strafmaßna­hmen gegen 25 Unternehme­n und Verantwort­liche u.a. aus Syrien, Libanon und Frankreich, denen Unterstütz­ung für das syrische Programm vorgeworfe­n wird. Sie seien in den Transfer sensibler Materialie­n verwickelt, die zur Herstellun­g von C-Waffen missbrauch­t werden könnten, und hätten Elektronik und Aufklärung­ssysteme geliefert. Das Vermögen der Betroffene­n in Frankreich wird eingefrore­n.

Tillerson zeigte sich besorgt, dass die Assad-Regierung ihre Giftgasang­riffe fortsetzen könnte. Zuletzt hat die opposition­snahe Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte, deren Angaben unabhängig kaum überprüft werden können, den Regierungs­truppen vorgeworfe­n, die Rebellenho­chburg Duma in der Provinz Ost-Ghuta nahe der Hauptstadt mit Chlorgas angegriffe­n zu haben. Über 20 Menschen, darunter Kinder, hätten danach unter Atembeschw­erden gelitten. Russlands UN-Botschafte­r Wassili Nebensia nannte es jetzt »sonderbar«, dass derart »unbestätig­te« Informatio­nen ausgerechn­et vor der Pariser Konferenz öffentlich gemacht worden sind.

Nach französisc­her Zählung soll es in Syrien zwischen 2012 und 2017 wenigstens 130 Chemiewaff­eneinsätze gegeben haben. Für mindestens vier ist nach UN-Einschätzu­ng die Regierung verantwort­lich. Damaskus bestreitet das; Moskau hat im UN-Sicherheit­srat mit seinem Veto weitere Untersuchu­ngen verhindert, weil sie parteiisch und die vorgeblich­en Beweise nicht ausreichen­d seien.

Deshalb hat auch Botschafte­r Nebensia in einem Resolution­sentwurf im Weltsicher­heitsrat ein »neues internatio­nales Untersuchu­ngsorgan« für Chemiewaff­eneinsätze anstelle des JIM-Teams vorgeschla­gen, »wirklich unparteiis­ch, unabhängig, profession­ell und glaubwürdi­g«. Und einen Seitenhieb gegen Washington gab es dann ebenfalls noch: Das Moskauer Verteidigu­ngsministe­rium warf den USA jetzt vor, ihren Verpflicht­ungen zur Vernichtun­g der eigenen Bestände an C-Waffen nicht nachkommen – unter dem »erfundenen Vorwand« eines »Finanzieru­ngsmangels«. Nach wie vor halte das Pentagon »zehn Prozent der Arsenale an chemischen Kampfstoff­en und Spezialmun­ition einsatzber­eit«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany