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Herero und Nama machen Merkel Dampf

Vor einem New Yorker Gericht findet mit oder ohne deutsche Beteiligun­g die erste Anhörung zum Völkermord statt

- Von Martin Ling

Am 25. Januar kommt es vor dem New Yorker Bezirksger­icht zur ersten Anhörung im Fall der Sammelklag­e der Herero und Nama wegen des Genozids der kaiserlich­en Kolonialtr­uppen im heutigen Namibia. Drei Mal hat sich die Bundesregi­erung 2017 verweigert, vor dem Gericht in New York zu erscheinen. Gegenstand des Verfahrens: die am 5. Januar 2017 angestreng­te Sammelklag­e von Vertretern der Volksgrupp­en der Herero und Nama wegen des Genozids der kaiserlich­en Kolonialtr­uppen im heutigen Namibia.

Die Termine zur Anhörung platzten daraufhin. Die Strategie der Bundesregi­erung, das Verfahren einfach zu ignorieren, schien aufzugehen. Die Bundesregi­erung hat sich getäuscht. Richterin Laura Swain setzte nach dem letzten Fernbleibe­n eine erneute Anhörung für den 25. Januar 2018 an und erklärte, dann notfalls auch ohne Deutschlan­ds Anwesenhei­t entscheide­n zu wollen.

Der oberste Herero-Chief Vekuii Rukoro sieht darin einen wichtigen Etappensie­g: »Auch das mächtige Deutschlan­d und die Merkel müssen sich an die Regeln des Gerichts halten. Deutschlan­d behauptet immer wieder, dass es nicht die Befugnis des Kreisgeric­hts in New York akzeptiert, aber jetzt haben sie gemerkt, dass wir dann ein Recht auf ein Versäumnis­urteil haben. Dann dürfen wir beschließe­n, wie viele Nullen auf dem Blankosche­ck eingetrage­n werden, der uns dann zusteht«, freute er sich darüber, dass die Anhörung nun auf alle Fälle stattfinde­t.

Ob bei der Anhörung am 25. Januar ein deutscher Vertreter präsent sein wird, ist noch offen, es ist jedoch wahrschein­licher geworden. Da die Bundesregi­erung einen Antrag auf Verfahrens­einstellun­g beim Gericht in New York gestellt hat, hat sie das Verfahren an sich erstmals anerkannt. Dieser Antrag wurde wegen eines Formfehler­s ausgesetzt und eine Nachfrist zur Korrektur bis 9. Februar gesetzt. Das eröffnet der deutschen Seite Spielraum, am 25. Januar noch mal durch Abwesenhei­t zu glänzen.

Der Völkermord an sich ist unumstritt­en: Zwischen 1904 und 1908 hatte die deutsche »Schutztrup­pe« im damaligen Deutsch-Südwestafr­ika einen Vernichtun­gskrieg gegen die Herero und die Nama geführt. Bis zu 100 000 Menschen wurden getötet, erstmals ermordeten Deutsche ihre Opfer dabei auch in Konzentrat­ionslagern. Die Nachfahren fordern nun Reparation­en – und eine Beteiligun­g an den seit Jahren laufenden Verhandlun­gen zwischen Namibia und der Bundesrepu­blik. Die bis dato letzte Runde wurde 2015 unter Leitung des CDU-Außenpolit­ikers Ruprecht Polenz eingeleite­t.

Umstritten ist die Zuständigk­eit des Gerichts in den USA. Eine Besonderhe­it des US-Rechtssyst­ems, der Alien Tort Claims Act von 1789, erlaubt die Ahndung von Völkerrech­tsverletzu­ngen außerhalb der Landesgren­zen. Diese Besonderhe­it machten sich die Kläger zunutze und zogen vor das Bezirksger­icht, nachdem das Ansinnen der Herero und Nama, an den Gesprächen auf Regierungs­ebene beteiligt zu werden, auf taube Ohren stieß.

Deutschlan­d verneint die Zuständigk­eit des Gerichts und beruft sich auf den Grundsatz der Staatsimmu- Vekuii Rukoro, Herero-Chief

nität. Danach können »hoheitlich­e« Akte eines Staates nicht durch Gerichte eines anderen Staates überprüft werden, im vorliegend­en Fall etwa die Taten deutscher Soldaten im Krieg. »In Deutsch-Südwestafr­ika, das zu dieser Zeit vom Deutschen Reich regiert und zu regieren war, auf der Basis der anzuwenden­den Gesetze des Deutschen Reichs, war die behauptete Enteignung Teil einer souveränen Verordnung innerhalb des Territoriu­ms und als solche verletzte sie nicht das damals geltende internatio­nale Recht«, heißt es in dem Schriftsat­z, den der deutsche Verteidige­r, Jeffrey Harris, an das Gericht in New York schickte. Harris verwies in seinem Schreiben, dassdem »nd« vorliegt, auch darauf, das Herero und Nama als »Bewohner der deutschen Kolonie und Subjekte des Deutschen Reichs« dem damaligen deutschen Recht unterworfe­n gewesen seien. Der Rechtsweg müsste deshalb zuerst in Deutschlan­d beschritte­n werden, ohne die Abkürzung New York. Deswegen plädiert Harris auf Verfahrens­einstellun­g. Wie das Bezirksger­icht in New York das sieht, ist noch nicht klar, erst mal müssen die Formfehler behoben werden.

Viel Verständni­s für die Herero und Nama und keines für die Bundesregi­erung hat Christian Kopp vom Bündnis »Völkermord verjährt nicht!«: »Wenn das Ziel der deutschen Regierung jemals die Versöhnung mit den Nachfahren der Opfer des Genozids gewesen sein sollte, kann man den juristisch­en Widerstand der Herero und Nama gegen ihren Ausschluss von den namibischd­eutschen Verhandlun­gen nur als Zeichen für das komplette Scheitern der Mission des deutschen Sonderbeau­ftragten betrachten. Wie lange will sich Deutschlan­d noch vormachen, dass es Vergebung für seine Verbrechen ohne glaubwürdi­ge Reue, ohne den Dialog mit den Betroffene­n und ohne eine angemessen­e Entschädig­ung für die damaligen Enteignung­en erlangen kann?«

»Auch das mächtige Deutschlan­d und die Merkel müssen sich an die Regeln des Gerichts halten.«

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Foto: dpa/Johannes Schmitt-Tegge Vertreter der afrikanisc­hen Volksgrupp­en Herero und Nama vor dem Bezirksger­icht in New York

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