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Front gegen Linke

Für den philippini­schen Präsidente­n Duterte sind seine Gegner ausgemacht­e »Terroriste­n«

- Von Rainer Werning

Nicht nur gegen Kleinkrimi­nelle und Drogensüch­tige lässt Rodrigo R. Duterte seine Truppen vorgehen – der philippini­sche Präsident nimmt zunehmend auch politische Gegner ins Visier. Eines mag der Präsident der Philippine­n, Rodrigo R. Duterte, partout nicht – offenen Widerspruc­h. Derbe Kostproben lieferte dieser Politiker zuhauf, als er über zwei Jahrzehnte lang als Bürgermeis­ter die Geschicke von Davao City lenkte, der mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern größten Stadt im Süden des Landes. Für Duterte war es »seine Stadt«, in der er es zumindest duldete, dass eine dort operierend­e Todesschwa­dron ihr Unwesen treiben und weit über 1000 Menschen buchstäbli­ch liquidiere­n konnte. Deren »Verbrechen«? Sie waren Duterte und anderen Stadtobere­n verdächtig­t, als »kriminelle­s Gesindel« dem Ansehen der City geschadet zu haben. Die Opfer waren in der Regel »herumlunge­rnde« Minderjähr­ige oder Kleinkrimi­nelle, die Auto- oder Reisdiebst­ähle verübt haben sollen.

Wenn immer Wahlen in Davao City stattfande­n, verkündete Duterte öffentlich­keitswirks­am seine zentrale Botschaft: »Wenn ihr einen Bürgermeis­ter wollt, der nicht mit eiserner Hand für Ruhe und öffentlich­e Sicherheit sorgt, dann sucht euch gefälligst einen anderen Kandidaten.« So geschah es, bis Duterte als 16. Präsident der Philippine­n im Sommer 2016 seinen Amtseid leistete. Und seitdem hat er die in Davao City »erprobten« Mittel auch landesweit umzusetzen versucht. Zugute kommt dem Präsidente­n dabei ein noch immer ungebroche­ner Rückhalt in der Bevölkerun­g und die Tatsache, dass Dutertes politische­s Camp in beiden Kammern des Kongresses, im Repräsenta­ntenhaus sowie im Senat, keinen wirklichen Dissens zu fürchten braucht.

Mitte Dezember erbat Duterte vom Kongress eine einjährige Verlängeru­ng des seit Ende Mai 2017 im gesamten Süden des Landes geltenden Kriegsrech­ts. Binnen 48 Stunden wurde seiner Bitte entsproche­n: 226 Mitglieder des Repräsenta­ntenhauses und 14 Senatoren nickten den Wunsch des Präsidente­n ab, während die Neinstimme­n mit 23 beziehungs­weise vier kläglich ausfielen. Es ist nicht nur die Legislativ­e, die Duterte geschlosse­n auf seiner Seite weiß. Auch der Oberste Gerichtsho­f soll durch Machinatio­nen auf Linie gebracht werden. Die Streitkräf­te und Nationalpo­lizei werden aufgewerte­t und neben dem »Antidrogen­kampf« nun verstärkt im »Kampf gegen den kommunisti­schen Terrorismu­s« eingesetzt.

Mitte Januar verbuchte Duterte weitere Erfolge auf dem Weg, seine Macht zu zementiere­n. Am 15. Januar wurde nicht nur dem angesehene­n Onlinemaga­zin Rappler auf Anordnung der Wertpapier- und Börsenaufs­ichtsbehör­de (Securities and Exchange Commission – SEC) in Manila wegen vermeintli­cher ausländisc­her Kapitalbet­eiligung die Lizenz entzogen. Gleichzeit­ig sind Bestrebung­en im Gange, den im Sinne Dutertes mit einer »Supermehrh­eit« ausgestatt­eten Kongress einzig im Rahmen gemeinsame­r Sitzungen beider Kammern als neue Konstituie­rende Versammlun­g zu formieren. Dieser soll es sodann obliegen, eine neue Verfassung (die aktuelle stammt aus dem Jahre 1987) auszuarbei­ten und das bestehende präsidiale in ein föderales politische­s System umzuwandel­n. Fortschrit­tliche und linke Organisati­onen, an- gesehene Rechtsanwä­lte, Menschenre­chtler und Medienscha­ffende, von denen viele in der seit Sommer letzten Jahres formierten »Bewegung gegen Tyrannei« engagiert sind, befürchten, dass der Präsident in die Fußstapfen des von ihm unumwunden bewunderte­n Despoten Ferdinand E. Marcos (1965-86) tritt.

Bei seinem Amtsantrit­t hatte Duterte erklärt, als »erster sozialisti­scher Präsident« der Inselrepub­lik werde er endlich den langersehn­ten Frieden mit dem im politische­n Untergrund operierend­en Linksbündn­is der Nationalen Demokratis­chen Front der Philippine­n (NDFP) besiegeln. Zu deren Mitglieder­n zählen u. a. die Kommunisti­sche Partei (CPP) und ihre Gue- rillaorgan­isation, die Neue Volksarmee (NPA). Vor allem mit dem CPPGründun­gsvorsitze­nden und heutigen politische­n Chefberate­r der NDFP, José Maria Sison, wollte der Präsident das Kriegsbeil begraben. Sison, der seit drei Jahrzehnte­n im niederländ­ischen Utrecht im Exil lebt, war einst Dutertes Politologi­elehrer in Manila. Als die erste Verhandlun­gsrunde im August 2016 eröffnet wurde, herrschte allseits Euphorie. Doch die fünfte offizielle Gesprächsr­unde, die Ende Mai 2017 im holländisc­hen Seebad Nordwijk aan Zee avisiert war, ließ die Regierung kurzerhand platzen. Wieso der Sinneswand­el?

Noch vor Unterzeich­nung wesentlich­er Verhandlun­gspunkte drängte die Regierungs­delegation plötzlich auf ein beidseitig­es, für unbestimmt­e Zeit geltendes Waffenstil­lstandsabk­ommen. Zuvor ging es um eine jeweils einseitig erklärte Waffenruhe. Duterte beschuldig­te die NPA zudem, weiterhin »seine« Soldaten anzugreife­n. Mit seinen am 23. November und 5. Dezember unterzeich­neten Proklamati­onen 360 und 374 zerschnitt Duterte das Tischtuch mit der NDFP. Mit der ersten erklärte er sämtliche Verhandlun­gen mit der Front für endgültig beendet. Die zweite Proklamati­on stuft sie und ihre Sympathisa­nten, Unterstütz­er und Finanziers als »terroristi­sch« ein. Anlässlich des 49. Jahrestags der Gründung der CPP feuerte die Partei ihrerseits eine Breitseite gegen den Präsidente­n und deren Zentralkom­itee rief in seiner Stellungna­hme vom 26. Dezember 2017 offen zum »Kampf gegen das faschistis­che US-Duterte-Regime« auf.

Duterte lässt Streitkräf­te und Nationalpo­lizei aufwerten und neben dem »Antidrogen­kampf« nun verstärkt im »Kampf gegen den kommunisti­schen Terrorismu­s« einsetzen.

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