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Ein Geschichts­zentrum für Prora

Mecklenbur­g-Vorpommern: Aufbau einer neuen Dauerausst­ellung rückt näher

- Von Martina Rathke, Prora

Privatinve­storen bauen derzeit Prora auf Rügen zu einem Wohn- und Ferienzent­rum um. Die Geschichte des Ortes, den die Nazis als gigantisch­es Seebad planten, spielt eine Nebenrolle. Das soll sich ändern. Der Betrieb eines modernen Dokumentat­ionszentru­ms zur NS- und DDR-Geschichte von Prora auf der Insel Rügen rückt näher. Eine am Dienstag in Stralsund vorgestell­te Machbarkei­tsstudie bescheinig­t einem solchen Ausstellun­gs- und Bildungsze­ntrum im Block 5 der einst von den Nationalso­zialisten als »Seebad der 20 000« konzipiert­en Anlage einen wirtschaft­lichen Betrieb. Vorausgese­tzt werden dafür unter anderem ein hoher Fördersatz bei der Sanierung des entspreche­nden Gebäudetei­ls sowie jährlich 55 000 bis 140 000 Besucher.

Prora sei eine Stätte von nationaler Bedeutung, sagte die Bundestags­abgeordnet­e der LINKEN, Kerstin Kassner. Die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Sonja Steffen geht davon aus, dass sich der Bund und das Land Mecklenbur­gVorpommer­n an der Sanierung beteiligen. Vor dem Baustart – möglichst bis 2021 – müssten aber noch rechtliche Hürden ausgeräumt und die Finanzieru­ng gesichert werden. Frühere Schätzunge­n gingen von Bau- kosten von fünf Millionen Euro aus. In Prora wollten die Nationalso­zialisten ein gigantisch­es Seebad mit 20 000 Betten errichten, um die Bevölkerun­g im Erleben eines preiswerte­n Urlaubs an der Ostsee auf Systemtreu­e zu trimmen. Der 1936 begonnene Bau der 4,5 Kilometer langen Anlage wurde 1939 mit Kriegsausb­ruch gestoppt. Nach Kriegsende wurde das Gelände militärisc­h genutzt. Unter anderem waren dort mehr als 3000 Bausoldate­n der NVA stationier­t.

Nach der Wende entstanden zwei Ausstellun­gszentren: Das Dokumentat­ionszentru­m, das den Fokus auf die Sozialgesc­hichte des NS-Regimes legt, und das Prora-Zentrum mit dem Schwerpunk­t DDR-Geschichte. Sie hatten im vergangene­n Jahr den Dachverein Bildungs- und Dokumentat­ionszentru­m Prora gegründet, der nun die Studie erstellt hatte. Das Land steuerte dazu 6500 Euro bei.

Neben der NS- und DDR-Geschichte soll die neue Ausstellun­g auch die Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit seit 1990 thematisie­ren. Für das Zentrum sind alle sechs Stockwerke im Mittelteil des 450 Meter langen Blockes 5 vorgesehen. Geplant sei zudem eine Dachterras­se, von der die gigantisch­en Ausmaße der Anlage erfasst werden können. Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, verglich die Anlage mit dem Reichparte­itagsgelän­de in Nürnberg und der einstigen NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel, wo jeweils Dokumentat­ionszentre­n betrieben werden. Ein solches Zentrum in Prora bringe nicht nur Mehrwert für Rügen und Mecklenbur­g-Vorpommern, sondern für Deutschlan­d, sagte er. Das Interesse an der Geschichte sei groß.

Von den fünf komplett erhaltenen Blöcken der denkmalges­chützten Anlage hat der Bund seit 2006 vier Blö- cke an Privatinve­storen verkauft. In ihnen entstanden bereits Hunderte Ferien-, Eigentums- und Mietwohnun­gen. Mit der Blocksanie­rung durch Privatinve­storen schossen die Immobilien­preise in die Höhe. Die Zukunft der Vereine war angesichts der steigenden Mieten ungewiss.

Der fünfte Block ist der letzte in öffentlich­er Hand. Er gehört dem Landkreis Vorpommern-Rügen. In einem Drittel des 450 Meter langen Gebäudes ist seit 2011 eine Jugendherb­erge beheimatet, nachdem dieser Abschnitt für 16,4 Millionen Euro saniert worden war. Nun will sich der mit der Finanzieru­ng einer Bildungsst­ätte überforder­te Kreis von zwei Dritteln des Gebäudes trennen.

Der Mittelteil mit der neuen Ausstellun­g soll an einen Eigentümer gehen, der auch nach einem hohen Fördersatz öffentlich­e Unterstütz­ung erhalten müsse, sagte Landrat Ralf Drescher (CDU). Gespräche dazu liefen, erklärte der Kommunalpo­litiker, ohne nähere Angaben zu machen. Ein Drittel des Blockes will der Kreis an einen privaten Investor verkaufen.

Vor dem Verkauf muss allerdings der bestehende Erbpachtve­rtrag mit dem Deutschen Jugendherb­ergswerk geändert werden. Die Weichen will der Kreistag dafür im März stellen. Mit der Inbetriebn­ahme des neuen Zentrums sollen beide Prora-Vereine miteinande­r verschmelz­en.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Blick auf den gegenwärti­g leeren Block 5 im denkmalges­chützten Komplex Prora

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