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Eine explizit politische Haltung

Die Science-Fiction-Ikone Ursula K. Le Guin ist im Alter von 88 Jahren verstorben

- Von Florian Schmid

Mit dem Tod Ursula K. Le Guins ist eine der bedeutends­ten Stimmen der Science-Fiction-Literatur des 20. Jahrhunder­ts verstummt. Le Guin, 1929 in Berkley geboren, wurde 88 Jahre alt und ist nach Angaben ihrer Familie am 22. Januar in Portland, wo sie die letzten Jahrzehnte lebte, verstorben. In den letzten Monaten soll sie unter gesundheit­lichen Problemen gelitten haben.

Noch vor vier Jahren begeistert­e Ursula Le Guin bei der Verleihung des National Book Awards mit einer pointierte­n Rede das globale Feuilleton. Die streitlust­ige alte Dame kritisiert­e dabei das immer stärker werdende profitorie­ntierte Handeln vieler Verleger und merkte an, dass die kapitalist­ischen Spielregel­n auch außer Kraft gesetzt werden könnten. »Gegen jede menschlich­e Macht kann es Widerstand geben, und sie kann von Menschen verändert werden. Widerstand und Veränderun­g nehmen oft ihren Anfang in der Kunst.«

Diese explizit politische Haltung war typisch für ihr Schreiben. Le Guins wohl bekanntest­er Roman »Planet der Habenichts­e« (kürzlich in einer überarbeit­eten Übersetzun­g neu aufgelegt unter dem Titel »Freie Geister«) ist eine der wenigen detaillier­t ausgemalte­n anarchisti­schen Utopien der Weltlitera­tur und gilt als ei- ner der wichtigste­n Klassiker der Science-Fiction.

Le Guin war mit ihrem Schreiben sehr erfolgreic­h und räumte alle Preise der Branche ab, unter anderem den Nebula- und den HugoAward ab, sogar jeweils mehrfach. Sie wirkte aber auch über das Feld der Science-Fiction hinaus. Die in »Planet der Habenichts­e« erfundene handlungst­ragende Technologi­e, die eine Kommunikat­ion in Echtzeit über Lichtjahre hinweg ermöglicht, der sogenannte Ansible, ist auch Namensgebe­r für ein Open-Source-Automatisi­erungs-Werkzeug von 2012, dessen Logo an ein Anarchie-Zeichen erinnert. Ursula Le Guin veröffentl­ichte über 20 Romane, darunter auch die Fantasy-Serie »Earth-Saga«, in der schon lange vor Harry Potter ein Zauberlehr­ling in einer fantastisc­hen Welt gegen böse Mächte kämpft. Stilbilden­d für die Science-Fiction-Literatur wurden mehrere Romane ihres sogenannte­n Hainish-Zyklus, zu dem auch der oben genannte Roman »Planet der Habenichts­e« zählt. Darin entwirft sie einen komplexen Kosmos miteinande­r in Verbindung stehender Welten. 1969 legte sie mit »Die linke Hand der Finsternis« einen Roman vor, der als einer der ersten feministis­chen Science-Fiction-Romane der (Post-)1968-Bewegung gilt. Es folgte eine ganze Welle feministi- scher und libertärer­er Science-Fiction-Erzählunge­n als Teil der literarisc­hen Gegenkultu­r aus den USA von Autorinnen wie Marge Piercy, Joanna Russ und Octavia Butler.

Der Abschluss des Hainish-Zyklus, die Novelle »Das Wort für Welt ist Wald« von 1972, liest sich wie eine Mischung aus James Camerons »Avatar« und George Lucas’ Waldmond Endor aus »Rückkehr der Jedi-Ritter« von 1983 und dürfte die beiden ökonomisch so erfolgreic­hen Filmemache­r zu ihren Drehbücher­n mehr als nur ein bisschen inspiriert haben. Wobei es kaum Filmadapti­onen von Le Guins literarisc­hem Werk gibt, auch wenn »Die linke Hand der Finsternis« sowohl in den 1990ern als auch zuletzt 2013 immerhin im Theater inszeniert wurde.

Hollywood hat sich bisher keines ihrer Stoffe angenommen, aber auch die Romane anderer feministis­cher Science-Fiction-Autorinnen wurden kaum verfilmt, obwohl viele dieser Titel zum Kanon der Sci-Fi-Literatur im 20. Jahrhunder­t zählen und nicht nur von Linksradik­alen auf der Suche nach literarisc­hen Utopien gelesen werden.

Ursula Le Guins meist gar nicht so umfangreic­he Romane zeichnen sich durch stilistisc­he Prägnanz und dramaturgi­sche Klarheit aus. Auch wenn sie in den vergangene­n Jahren kaum mehr publiziert­e, wird Ursula Le Guin in der Science-Fiction-Literatur fehlen. Ihre Romane werden aber sicher noch gelesen werden und weiter Einfluss auf nachkommen­de SciFi-Autoren haben.

George Lucas und James Cameron dürften bei ihren Drehbücher­n zu »Star Wars« und »Avatar« mehr als nur ein bisschen von der Lektüre der Bücher von Ursula K. Le Guin inspiriert worden sein.

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Foto: dpa/AP/The Oregonian Ursula K. Le Guin 1972

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