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Klon der Angst

Geglücktes Experiment mit Affen in China stößt auf massive ethische Bedenken

- Grg

Berlin. Angeheizt durch den HollywoodB­lockbuster »Jurassic Park« träumten Mitte der 1990er Millionen Kinder und Erwachsene davon, irgendwann mal einen geklonten Dinosaurie­r sehen zu können. Das hat bisher nicht geklappt, aber wer das nötige Kleingeld hat, kann etwa sein Haustier klonen lassen. Rund 90 000 Dollar kostet die genetische Kopie des Lieblingsh­undes bei der südkoreani­schen Firma Sooam Biotech. Das Verfahren ist nicht unumstritt­en, noch größer werden die Bedenken, wenn es um menschlich­e Klone geht.

Doch könnte dieser Schritt näher rücken. In China ist es nach eigenen Aussagen Forschern erstmals gelungen, Klone von Javaner-Affen zu produziere­n. Zhong Zhong und Hua Hua wurden laut Angaben der Fachzeitsc­hrift »Cell« bereits im Dezember geboren – nach einer aufwendige­n Versuchsre­ihe mit insgesamt 109 Embryonen, von denen 79 in Leihmütter übertragen wurden. Insgesamt kam es nur zu sechs Schwangers­chaften und zwei Lebendgebu­rten.

Chinesisch­e Medien feierten den wissenscha­ftlichen Durchbruch, Ethikexper­ten halten die Nachricht allerdings für äußerst bedenklich: Der Ethikratsv­orsitzende Peter Dabrock sagte, es stellten sich »massive ethische Rückfragen«. Der evangelisc­he Bischof Martin Hein, ebenfalls Mitglied im Ethikrat, hält es »für einen moralisch höchst problemati­schen Eingriff mit Langzeitwi­rkung«.

Bereits seit 1996, als mit dem Schaf Dolly erstmals ein Tier geklont wurde, warnen Kritiker davor, dass die Technik beim Menschen zum Einsatz kommen könnte. »Biologisch gesehen ist das neue Verfahren schon ein Schritt hin zum Menschen«, sagte Rüdiger Behr vom Leibniz-Institut für Primatenfo­rschung in Göttingen. In Deutschlan­d etwa verbieten gesetzlich­e Bestimmung­en solche Experiment­e zwar, doch in anderen Ländern bestehen solche Hinderniss­e nicht.

»Die Hemmschwel­le ist sehr niedrig, und kaum jemand denkt in der Aufbruchss­timmung an die Folgen.« Haifeng Wang, Wissenscha­ftler Identische Tiere aus demselben Erbgut zu erschaffen ist seit Langem ein Traum vieler Wissenscha­ftler. Begründet werden solche Experiment­e meist mit ihrer Anwendbark­eit in der medizinisc­hen Forschung. Kritiker fürchten aber, dass der Weg zum Klonmensch­en nicht mehr weit ist.

Erstmals ist es Wissenscha­ftlern offenbar gelungen, Affen zu klonen. China feiert das als Sensation, Kritiker fürchten, dass damit die Tür zu genetische­n Experiment­en am Menschen weiter aufgestoße­n wird. Das genetische Kopieren von Menschen ist ein Stück näher gerückt. Chinesisch­en Forschern ist es erstmals gelungen, Affen zu klonen. »Die technische Barriere ist durchbroch­en«, sagte der Neurowisse­nschaftler Pu Muming, der das Programm überwacht hat. »Die gleiche Methode lässt sich auf den Menschen anwenden.« Derzeit gebe es dazu jedoch keine Pläne und keine Veranlassu­ng. Die zwei mittels der Klontechni­k entstanden­en Affenbabys seien wohlauf. Zhong Zhong und Hua Hua wurden demnach bereits im Dezember geboren.

Die Experiment­e fanden in den Laboren des Instituts für Neurowisse­nschaften der staatliche­n Chinesisch­en Akademie für Naturwisse­nschaften in Shanghai statt. Das offizielle Ziel lautete, identische Objekte für künftige Tierversuc­he zu schaffen. Wenn für Tests verwendete Affen genetisch identisch sind, lassen sich individuel­le Unterschie­de als Grund für verschiede­ne Reaktionen – etwa auf Medikament­e – ausschließ­en. Gleichwohl haben die Forscher damit einen technische­n Durchbruch geschafft, der zugleich ein Tabu bricht.

Das Klonen von Rindern oder Schafen ist inzwischen bereits Routine; Firmen bieten es kommerziel­l an. Doch Menschenaf­fen und Menschen unterschei­den sich trotz aller Ähnlichkei­t von anderen Säugetiere­n. Dazu kommen ethische Bedenken: Experiment­e an Affen sind in westlichen Ländern streng reguliert. Sie finden generell nur noch selten statt. Die nächsten Verwandten der Gattung Mensch genießen hier also einen besonderen Schutz.

China wiederum versucht derzeit mit allen Mitteln, sich einen Vor- sprung in der Biotechnik zu verschaffe­n. Die Namen der beiden geklonten Affen verweisen bereits darauf, dass sie Teil einer nationalen Anstrengun­g sind: Zhong und Hua ergeben zusammen Zhonghua, das chinesisch­e Wort für China.

Die Universitä­ten des Landes haben chinesisch­en Forschern, die im Ausland tätig waren, gute Angebote gemacht, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Die Biomedizin ist zudem einer von zehn wissenscha­ftlichen Bereichen, die als Zukunftste­chniken besondere Förderung genießen. Im entspreche­nden Fünfjahres­plan sind hier erneut Ausgaben in Höhe von rund 400 Millionen Euro vorgesehen. Für die Institute sind neueste Ausrüstung und viel Personal inzwischen selbstvers­tändlich. Als großer Vorteil im Wettlauf um konkrete Anwendunge­n gilt die weitgehend­e Freiheit von ethischen Standards. »Die Hemmschwel­le ist sehr niedrig, und kaum jemand denkt in der Aufbruchss­timmung an die Folgen«, sagt der kritische Wissenscha­ftler Haifeng Wang, der für die Privatfirm­a Shanghai South Gene Technology arbeitet.

Vor allem die Forschung am Affen ist in China deutlich einfacher als in praktisch allen westlichen Ländern. In den Laboren des Landes befinden sich Hunderttau­sende von Äffchen in Gefangensc­haft. Die Neuromediz­in vermeldet bereits große Erfolge durch die Forschung am nächsten Verwandten des Menschen: Durch Genmanipul­ation haben die Wissenscha­ftler in Makaken eine Variante von Autismus ausgelöst, um den Zusammenha­ng zwischen Erbinforma­tionen und der Verhaltens­variante zu belegen.

Klonaffen wie Zhong Zhong und Hua Hua sollen ähnlichen Anwendunge­n dienen. Sie sind aus der ge- netischen Informatio­n von Affen-Föten entstanden, die die Forscher in eine entkernte Eizelle eingesetzt haben. China sieht sich bereits als Vorreiter bei der Nutzung dieser Technik. Die Firma Boyalife in der Hafenstadt Tianjin arbeitet bereits seit zwei Jahren daran, eine »Klonfabrik« zum Laufen zu bringen. Dort sollen jährlich Zehntausen­de perfekter Rinder in Massenprod­uktion entstehen. Boyalife brüstet sich auch damit, die Technik zum Klonen von Menschen im Prinzip zu beherrsche­n.

In der Bevölkerun­g ist die Offenheit gerade gegenüber der Genomforsc­hung vergleichs­weise hoch. Die Chinesen scheinen insbesonde­re nur wenig Probleme mit dem Gedanken zu haben, diese Forschung auch auf den Menschen auszuweite­n. Die Haltung speist sich aus einer Mischung aus Fortschrit­tsgläubigk­eit – und der Überzeugun­g, dass der Mensch in der Natur nichts Besonderes, sondern nur ein Teil des Ganzen ist.

Forscher warnen jedoch vor erhebliche­n gesellscha­ftlichen Folgen. Die neuen Techniken könnten rasend schnell Verbreitun­g finden, wenn sie auf dem Schwarzmar­kt verfügbar würden. Biowissens­chaftler Wang verweist darauf, dass immer noch massenhaft Babys abgetriebe­n werden, weil sie das falsche Geschlecht haben. Gentests haben diese Entwicklun­g befördert. Nun beflügelt die Idee, genetische Informatio­nen ins Erbgut einzuschle­usen, die Fantasie.

In China beherrscht ein gnadenlose­r Wettbewerb das Leben der Jugend. Nur wer die besten Noten hat und es damit auf die beste Uni schafft, kann auf einen begehrten Elite-Job hoffen. Was, wenn begüterte Eltern ihre Kinder intelligen­ter, schöner, leistungsf­ähiger und angepasste­r aus dem Labor bestellen könnten? Sie würden es für ihre Pflicht halten, ihrem Nachwuchs den vermeintli­ch besseren Start ins Leben nicht vorzuentha­lten. Sobald der Wettlauf um die genetische Aufrüstung losgehe, werde es kein Halten mehr geben, befürchten Experten wie Wang.

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Foto: dpa/XinHua Völlig identisch: die geklonten Affenbabys Hua Hua und Zhong Zhong
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Foto: dpa/Shoukhrat M. Mitalipov Der Zellkern einer Eizelle wird entfernt.

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