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Mindestloh­n-Verstöße bleiben unentdeckt

Linksparte­i und Gewerkscha­ft kritisiere­n unzureiche­nde Kontrollen durch die Behörden

- Von Fabian Lambeck

Weil der Zoll nur selten prüft, erhalten viele Beschäftig­te weniger als den Mindestloh­n. Linksparte­i und die Gewerkscha­ft NGG fordern deshalb, Arbeitgebe­r besser zu kontrollie­ren. Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen imposant: Arbeitgebe­r mussten 2017 Bußgelder in Höhe von mehr als 4,2 Millionen Euro zahlen, weil sie gegen Bestimmung­en zum Mindestloh­n verstoßen hatten. Das zumindest geht aus einer Antwort des Bundesfina­nzminister­iums auf eine Anfrage der Linksparte­i hervor, die »neues deutschlan­d« vorliegt. Demnach leitete der zuständige Zoll mehr als 2500 Ermittlung­sverfahren ein, weil Betriebe den Mindestloh­n unterlaufe­n hatten. Mehr als 1200 Verfahren endeten mit einem Bußgeldbes­cheid.

Doch LINKE-Chef Bernd Riexinger reicht das nicht. Er hält die derzeitige Kontrolldi­chte für zu gering und verwies am Donnerstag gegenüber »nd« auf die hohe Dunkelziff­er: »Bei unserem ohnehin schon zu niedrigen Mindestloh­n ist es völlig unfassbar, dass 1,8 Millionen Beschäftig­te in Deutschlan­d den gesetzlich­en Mindestloh­n trotz eines klaren gesetzlich­en Anspruchs nicht bekommen.«

Der ehemalige Gewerkscha­ftssekretä­r forderte zudem »mehr Kontrolleu­re überall dort, wo der Mindestloh­n zu oft nicht eingehalte­n wird«. Zudem sollte man über höhere Strafen bei Verletzung der Mindestloh­nregelunge­n nachdenken, »da die jetzigen Strafen offensicht­lich windige Unternehme­r nicht abschreckt­en«, so Riexinger.

Tatsächlic­h gelten Verstöße gegen das Mindestloh­ngesetz als Ordnungswi­drigkeit; nur wenn auch strafrecht­liche Vorschrift­en verletzt werden, muss der Zoll ein Strafverfa­hren einleiten.

Auch bei der Gewerkscha­ft Nahrung Genuss Gaststätte­n (NGG) wünscht man sich eine höhere Kontrolldi­chte. »Doch stattdesse­n ist die Zahl der Überprüfun­gen durch den Zoll rückläufig«, kritisiert­e NGG-Sprecherin Karin Vladimirov am Donnerstag im Gespräch mit »nd«. So habe die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit beim Zoll, die seit 2015 auch für die Überwachun­g des Mindestloh­ns zuständig ist, die Zahl ihrer Betriebsko­ntrollen zurückgefa­hren: »Von rund 63 000 im Jahre 2014 auf mittlerwei­le nur noch 50 000«, rechnete Vladimirov vor. Dabei müsste gerade im Gaststätte­ngewerbe mit seinen mehr als 170 000 Einrichtun­gen viel häufiger kontrollie­rt werden. Oft würden Arbeitszei­ten nicht korrekt erfasst und müssten Angestellt­e unbezahlte Überstunde­n leisten, so die Gewerkscha­fterin. Für die meisten der Arbeitnehm­er sei der Mindestloh­n tatsächlic­h die Lohngrenze, »weil zwei Drittel der Be- triebe in der Branche nicht tarifgebun­den sind«, so Vladimirov.

Beim Zoll selbst erklärt man den Rückgang der Kontrollen mit einem Strategiew­echsel. Statt auf die einzelne Eckkneipe konzentrie­rt man sich jetzt auf »organisier­te Formen der Schwarzarb­eit«, wo auf einen Schlag gleich 100 Fälle aufgedeckt werden. Das verringert aber das Entdeckung­srisiko für Lohndrücke­rei im kleinen Rahmen.

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