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Mit neuen Tricks zu Primatenkl­onen

Die beiden Javaner-Äffchen aus Schanghai verdanken ihre genetische Ausstattun­g keinen ausgewachs­enen Vorbildern, sondern Föten.

- Von Steffen Schmidt

Rund zwei Jahrzehnte, nachdem das Schaf Dolly Schlagzeil­en machte, gelang es chinesisch­en Forschern, Affen zu klonen. Dazu mussten sie die Methode allerdings leicht verändern. Auch 22 Jahre nach der Geburt des Klonschafs Dolly ist das Klonen von Primaten offenbar noch extrem schwierig. Der Klonspezia­list Shoukrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University (USA), der in den 2000er Jahren ähnliches versucht hatte, gratuliert­e den chinesisch­en Forschern deshalb zu ihrem Erfolg. Mitalipov hatte seinerzeit mit mehr als 15 000 Eizellen versucht Affenklone zu erzeugen. Zwar bekam er auf diese Weise embryonale Stamm- zellen, doch kam es bei keiner der äffischen Leihmütter zu einer Lebendgebu­rt.

Das Team um Qiang Sun vom Institut für Neurowisse­nschaft der staatliche­n Chinesisch­en Akademie der Wissenscha­ften in Shanghai scheiterte im ersten Anlauf ebenfalls. Dabei hatten sie sich bereits einer gegenüber dem alten Dolly-Verfahren leicht veränderte­n Technik bedient und zusammen mit dem chemisch aktivierte­n Erbgut der erwachsene­n Zellen noch einen speziellen Botenstoff in die entkernten Eizellen gespritzt, der auch tieferlieg­ende Erbgutteil­e aktivieren soll. Doch von knapp 200 aus dem Erbgut erwachsene­r Affen gewonnenen Embryonen kam es zwar bei zwei von 42 Leihmutter­tieren zu Lebendgebu­rten, doch starben diese Affenbabys wenige Stunden später.

Mehr Erfolg hatten die Forscher erst, als sie Erbgut aus noch nicht so stark spezialisi­erten Zellen in AffenFöten entnahmen und dies in entkernte Eizellen einfügten. Von rund 100 Embryonen, die Leihmütter­n eingepflan­zt worden waren, kam es bei 21 Tieren zu sechs Schwangers­chaften. Zwei Jungtiere kamen danach lebendig zur Welt und überlebten mindestens die ersten 40 sowie 50 Tage, berichtet das Forscherte­am im Fachjourna­l »Cell«.

»Technisch-methodisch gesehen ist diese Arbeit ganz klar ein Fortschrit­t«, meint Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenze­ntrum (DPZ) in Göttingen. Behr vermutet allerdings, dass sich das Verfahren nicht ohne weitere Anpassunge­n bei anderen Primaten anwenden ließe. Der Reprodukti­onsmedizin­er Stefan Schlatt von der Uni Münster glaubt aber, dass diese Affen – genauso wie einst Dolly – kein vollständi­g gesundes Erbgut aufweisen, so dass die Versuche in China die Kritik eher befeuern als beruhigen werden.

Auch Daniel Besser, Geschäftsf­ührer des Deutschen Stammzelln­etzwerks, sieht die Ergebnisse der chinesisch­en Kollegen als bedeutende Weiterentw­icklung an. Er rät nach den Fälschungs­skandalen bei früheren Klonversuc­hen jedoch zur Vorsicht. »Erst wenn sich die Ergebnisse in verschiede­nen Laboren der Welt bestätigen lassen, ist klar, dass sie stimmig sind.«

Den chinesisch­en Forschern geht es nach eigenem Bekunden nicht um eine Ausweitung auf andere Primaten oder gar den Menschen. Ihr Ziel sind genetisch identische Versuchsti­ere für die Erprobung neuer Heilverfah­ren und Medikament­e. DPZDirekto­r Stefan Treue meint, die »vorgestell­te Methode hat das Potenzial, durch erhöhte Standardis­ierung von Tierversuc­hen mit Primaten – wie sie bei Nagern schon länger möglich ist – eine Verringeru­ng der Tierversuc­hszahlen zu erreichen«. Auch die Rolle spezifisch­er Gene für verschiede­ne Krankheite­n ließe sich mit solchen Tierlinien mit geringeren Tierzahlen erforschen. Kritiker bezweifeln das. Bisher hat die Einführung neuer gentechnis­ch veränderte­r Modellorga­nismen eher den Bedarf an Versuchsti­eren erhöht.

»Wir sind uns bewusst, dass zukünftige Forschung an nicht-menschlich­en Primaten überall auf der Welt davon abhängt, dass Wissenscha­ftler strikte ethische Standards einhalten«, erklärte der an der neuen Studie beteiligte Neurologe Mu-Ming Poo in einer Pressemitt­eilung. Er betont, dass sein Team sich an internatio­nale Richtlinie­n gehalten habe. Gleichzeit­ig ruft er die wissenscha­ftliche Gemeinscha­ft auf, die ethischen Grenzen von Klonversuc­hen an Affen internatio­nal zu diskutiere­n.

»Technisch-methodisch gesehen ist diese Arbeit ganz klar ein Fortschrit­t.« Rüdiger Behr, Deutsches Primatenze­ntrum Göttingen

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