nd.DerTag

Verhindern statt verteilen

Uwe Kalbe über deutsche Kompromiss­bereitscha­ft in der EU-Asyldebatt­e

-

Es muss schon ein gewichtige­r Grund sein, der Berlin dazu veranlasst, nicht länger auf der Flüchtling­sverteilun­g zu bestehen, die in den letzten Monaten die Währung war, nach der vor allem besorgte deutsche Politiker die Solidaritä­t innerhalb der EU bemaßen. Doch war dieser Streit schon immer der auf einem Nebenkampf­platz – da doch vom Einlenken der gescholten­en Verweigeru­ngsstaaten nicht ein Deut abhing, ob EU-Europa sich der Flüchtling­sproblemat­ik gewachsen zeigt. Da doch gleichzeit­ig alles getan wurde, dass Flüchtling­e Europa gar nicht mehr erreichen. Wenn doch auch Deutschlan­d seine Verpflicht­ungen zur Aufnahme von Geflüchtet­en nicht erfüllt, und die hoffnungsl­os überforder­ten Länder an den EU-Außengrenz­en im Stich lässt.

Es gibt solch einen Grund, so ist zu befürchten. Dass nämlich nun Nägel mit Köpfen gemacht und Erfolge in der Hauptsache erzielt werden sollen – bei der Schaffung eines neuen Asylsystem­s Dublin IV. Dieses ist in seinen Grundrisse­n erkennbar, und es soll nicht etwa das als gescheiter­t erkannte Dublin-System entsorgen und durch ein menschlich­es ersetzen. Sondern es ist die rechtliche Absicherun­g des praktisch bereits in Gang gesetzten Räderwerks, des Mechanismu­s zur Abwehr, welches das Erstaufnah­meprinzip exportiere­n und das Flüchtling­selend vor die Grenzen der EU verfrachte­n soll. Über die Verteilung eines eventuelle­n Elendsrest­s kann man später immer noch reden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany