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Ein giftiges Signal

Sebastian Weiermann hält die Kritik am islamische­n Verband DITIB und dessen Verbindung­en zum Erdogan-Regime für berechtigt, meint aber, Sabotageak­te und Sachbeschä­digungen seien die falschen Mittel der Auseinande­rsetzung

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Im Kontext des türkischen Angriffes auf das kurdische Gebiet im Norden Syriens gibt es auch in Deutschlan­d zahlreiche Proteste. Darunter sind auch Aktionen militanter Linker. In zwei Fällen wurden Moscheen der DITIB attackiert. Die Angreifer begeben sich dabei auf dünnes Eis.

Sabotageak­te und Sachbeschä­digungen gehören fest in das Repertoire der radikalen Linken in Deutschlan­d. Manchmal finden sie in lokalen Kontexten statt, oft aber auch im globalen Zusammenha­ng. Auf Verständni­s stoßen die Attacken nur in seltenen Fällen. Sabotageak­te an Bahnstreck­en, im Vorfeld des G20-Gipfels, sorgten auch innerhalb der radikalen Linken für viel Kopfschütt­eln. Damit treffe man die Falschen, die einfachen Leute, war ein oft genanntes Argument.

Nun gibt es wieder militante Aktionen, über die man streiten kann. Auf der Internetpl­attform de.indymedia.org, die im Gegensatz zum Ableger »linksunten« nicht verboten ist, finden sich Bekennersc­hreiben zu Angriffen auf Moscheen der DITIB in Minden und Leipzig. In beiden Städten gingen Scheiben zu Bruch, und es wurden Parolen gegen den türkischen Einmarsch in Afrin und für die PKK gesprüht. Im Bekennersc­hreiben aus Minden heißt es: »DITIB sind die direkten Vertreter des AKP-Regimes in Deutschlan­d und damit unser Angriffszi­el. Aus den Moscheever­einen operiert der türkische Geheimdien­st MIT, der auch hier in Europa Opposition­elle und kurdische sowie türkische Revolution­ärInnen ermorden lässt, während die europäisch­en Staaten nur zusehen.« Auch wird darauf verwiesen, dass in DITIB-Moscheen für einen Sieg der türkischen Armee in Afrin gebetet worden sein soll. Die Führung der DITIB bestrei- tet dies mittlerwei­le, äußert sich aber nicht zu Kriegsaufr­ufen verschiede­ner Imame in sozialen Netzwerken.

Im Leipziger Bekennersc­hreiben heißt es: »Angesichts der Einbindung von DITIB in den türkischen Staatsappa­rat und des Ausspionie­rens politische­r Gegner in Deutschlan­d sehen wir den Verein als Vertreter der türkischen Regierung und somit als legitimes Angriffszi­el an.« Sebastian Weiermann ist freier Journalist aus Dortmund und schreibt über rechte Bewegungen sowie Islamismus.

Argumentat­iv kann nur wenig gegen die Aussagen in beiden Bekennersc­hreiben eingewandt werden. Es gibt zahllose Beweise und Hinweise auf die engen Verstricku­ngen der deutschen DITIB mit dem türkischen Geheimdien­st. Auch treffen sich nationalis­tische Rockerband­en wie die »Osmanen Germania« und »Turan« teilweise in Räumlichke­iten der DITIB. Mitglieder beider Banden waren schon an Attacken auf linke Türken und Kurden beteiligt. Es gibt also gute Gründe, gegen die DITIB zu sein.

Allerdings handelt es sich bei den DITIB-Einrichtun­gen eben nicht nur um Einrichtun­gen des türkischen Staates, sondern auch um religiöse Einrichtun­gen. Einrichtun­gen einer, in Zeiten von AfD, Pegida und Naziterror­isten, stark bedrohten Minderheit. Im Jahr 2016 gab es insgesamt 91 Attacken auf Moscheen. In der Regel aus rassistisc­hen Motiven.

Wenn Linke nun auch Moscheen attackiere­n, reihen sie sich, auch wenn sie ihre Anschlagse­rklärungen gut begründen, in einen Kontext ein, der nicht der ihre sein kann. Kein Moscheebes­ucher, der einfach nur beten möchte, wird die Texte auf Indymedia lesen und sich nach einer anderen Moschee umsehen. Kein Mensch wird die Parolen lesen und deswegen die DITIB verlassen. Im besten Falle halten sie es für einen Angriff von Kurden, und »nur« dieser Konflikt würde sich dadurch verschärfe­n. Im schlimmste­n Falle aber ist es für die Menschen nur ein weiterer Hinweis auf Ausgrenzun­g und Rassismus in der Bundesrepu­blik, der sich von islamfeind­lichen Reden der AfD bis hin zu den Mordanschl­ägen des NSU zieht.

Eine radikale Linke, die den Kampf gegen die Diktatur in der Türkei und den menschenve­rachtenden Islamismus ernst nimmt, sollte sich mit ihrem Gegner befassen und ihn genau kennen. Es spricht nichts dagegen, faschistis­che Positionen von Funktionst­rägern solcher Organisati­onen zu benennen. Es spricht nichts dagegen, öffentlich Druck aufzubauen, wenn DITIB und Co. von deutschen Städten hofiert werden und ihnen zum Beispiel Räumlichke­iten für Propaganda­veranstalt­ungen zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollte allerdings immer deutlich werden, wer wegen welcher Taten kritisiert wird. Pauschale Angriffe auf religiöse Einrichtun­gen einer Minderheit setzen gerade im deutschen Kontext ein giftiges Signal.

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Foto: privat

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