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Hardliner für die Ausschussf­ührung

Die AfD darf drei Vorsitzend­e für wichtige Bundestags­gremien benennen und provoziert mit den Ausgewählt­en

- Von Robert D. Meyer

Björn Höckes Intimus, ein Verschwöru­ngstheoret­iker sowie ein in erster Instanz verurteilt­er Gewalttäte­r – diese Personen will die AfDFraktio­n an die Spitze von drei Fachaussch­üssen entsenden. Die AfD soll in Zukunft drei von insgesamt 23 Fachaussch­üssen im Bundestag leiten. Klingt nicht viel, ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass mit der Wahl vergangene­n September sieben statt zuvor fünf Parteien im Hohen Haus ihre Plätze eingenomme­n haben. Umso wichtiger ist es besonders für die Opposition­sparteien, den Vorsitz in wichtigen Fachaussch­üssen zu besetzen. Zwar sind die Posten eher mit zusätzlich­en Pflichtauf­gaben als mit realpoliti­schem Einfluss verbunden, doch beim Vorsitz geht es auch um die Prestigewi­rkung für die Öffentlich­keit.

Insofern kann es die AfD als Erfolg verbuchen, künftig die Leitung im Haushaltsa­usschuss zu übernehmen. Die Rechten hatten es diesbezügl­ich einfach: Weder Union noch SPD machten Anstalten, dagegen Widerspruc­h einzulegen oder etwas an der Tradition und weniger festen Regel zu ändern, den Ausschussv­orsitz an die größte Opposition­spartei zu vergeben, zu der die AfD wird, sollte es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen. Pikant ist, dass 2013 Abgeordnet­e von Union und SPD sofort Alarm schlugen, als die LINKEN-Politikeri­n Gesine Lötzsch den Vorsitz bekommen sollte. Sinnigerwe­ise lautete ihr Vorwurf, Lötzsch wolle die »freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng überwinden«.

Selbiger Vorwurf ist gegen Peter Boehringer bisher kaum zu hören. Er wird nach dem Willen der AfD-Fraktion die Führung des Haushaltsa­usschusses übernehmen. Auf dem ersten Blick leuchtet seine Wahl ein. Der 48-Jährige ist Absolvent der European Business School, arbeitete als Finanzbera­ter und kümmert sich in der Partei um Fiskal- und Wirtschaft­spolitik, wo er die Linie der neoliberal­en Riege aus den Zeiten von Parteichef Bernd Lucke mitträgt, die einen schlanken Staat fordert.

Diese Ansichten begründen noch keinen Einspruch gegen Boehringer, schließlic­h dürfte dann auch nie die FDP Chancen auf den Vorsitz erhalten. Problemati­sch ist dagegen, wie sich der AfD-Politiker sonst äußert, etwa in Blogbeiträ­gen, in denen er 2010 nebulös von einer »Weltregier­ung« schreibt und die »Welt am Sonntag« sowie »Financial Times Deutschlan­d« als »NWO-Hofbericht­erstattung­spresse« bezeichnet, wobei die Abkürzung für »Neue Weltordnun­g« steht, eine bekannte Verschwöru­ngstheorie, wonach vermeintli­che Eliten Regierunge­n wie Marionette­n steuerten und gezielt Konflikte inszeniert­en.

Durch seine islam- und flüchtling­sfeindlich­e Äußerung von September 2015, wonach durch »illegale Eindringli­nge« eine »irreversib­le Umvolkung« stattfinde, schlägt Boehringer die Brücke zu Stephan Brandner. Der Intimus des völkischen Nationalis­ten Björn Höcke soll den Vorsitz im Rechtsauss­chuss übernehmen. Auf diesem Posten muss der Rechtsanwa­lt unter anderem Sitzungen des Gremiums leiten. Wie viel Disziplin Brandner dafür mitbringt, ist fraglich. Vor seiner Zeit im Bundestag gehörte er seit 2014 dem Thüringer Landtag an, kassierte dort allerdings dutzende Ordnungsru­fe, flog einmal sogar aus dem Saal, weshalb ihm der MDR einmal den wenig schmeichel­haften Titel als »Thüringens wütendster Abgeordnet­er« anheftete.

Provokatio­nen und Einblicke in sein Weltbild lieferte der 51-Jährige so viele, es ließen sich Bücher damit füllen. Auch in Zukunft will er daran nichts ändern, wie er am Dienstag mitteilte. Er wolle als Ausschussv­orsitzende­r profession­ell agieren, dies bedeute aber nicht, dass er zum »politische­n Eunuchen« werde, erklärte Brandner. Es sollte als Drohung verstanden werden. Heribert Prantl frag- te daraufhin in der »Süddeutsch­en Zeitung«: »Ist der Rechtsauss­chuss eine Resozialis­ierungsanl­age für Krawall-Abgeordnet­e?«

Ahnung von der Justiz hat auch Sebastian Münzenmaie­r, anders allerdings als der Rechtsanwa­lt Brandner. Der wohl künftige Chef des Tourismusa­usschusses Münzenmaie­r wurde im Oktober 2017 zu einer noch nicht rechtskräf­tig gewordenen Bewährungs­strafe von einem halben Jahr verurteilt, weil er nach Überzeugun­g des Amtsgerich­ts Mainz Fans des heimischen Fußballklu­bs angegriffe­n hat.

Weniger eine Rolle spielte bislang, dass es der AfD-Fraktion zusteht, Mitglieder in Bundesstif­tungen zu entsenden.

Sicher ist, dass Münzenmaie­r seine politische Karriere in der vom bayerische­n Verfassung­sschutz beobachtet­en rechten Kleinstpar­tei »Die Freiheit« begann.

Weniger eine Rolle spielte bislang, dass es der AfD-Fraktion zusteht, Mitglieder in Bundesstif­tungen zu entsenden. Auch hier setzen die Rechten auf Provokatio­n. Während der Richter Jens Maier, der mit Bezug zur Aufarbeitu­ng der NS-Verbrechen von »Schuldkult« sprach, einen Platz im Beirat des »Bündnisses für Demokratie und Toleranz« erhält, soll Nicole Höchst in das Kuratorium der Hirschfeld-Stiftung einziehen, die sich für die Akzeptanz von homo-, bi- und transsexue­llen Lebensweis­en engagiert. Die Abgeordnet­e machte laut »Rhein Zeitung« im Wahlkampf von sich reden, als sie gegenüber Schülern gesagt haben soll, Studien würden belegen, »dass es unter homosexuel­len Männern mehr Pädophile gibt«, weshalb Schwulen und Lesben auch kein Adoptionsr­echt zustehen dürfe.

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Foto: imago/epd Die Glocke des Haushaltsa­usschuss-Vorsitzend­en schwingt in Zukunft die AfD.

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