nd.DerTag

Kauder und sein Freund, der Kauz

In dieser Woche wäre Peter Struck 75 Jahre alt geworden; ein Buch erinnert an den eigenwilli­gen Politiker

- Von Uwe Kalbe

»Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebrach­t wurde.« Peter Struck hat dies einmal das »Erste Strucksche Gesetz« genannt. Es verrät viel über Parlamenta­rismus. Und über Struck. Ein wenig unangenehm war es Volker Kauder wohl doch, wenn Peter Struck ihm im Bundestag über zwei Treppenabs­ätze hinweg lauthals zurief: »Vermisst du mich?« Vor allem in Zeiten der schwarz-gelben Koali- tion, wenn der Fraktionsc­hef der Union gerade mit dem Fraktionsc­hef der FDP Rainer Brüderle zusammenst­and. Dann nutzte Struck die kleine Provokatio­n für eine große Genugtuung. Ein Freund war der geborene Bündnispar­tner Brüderle für Kauder nie, der geborene politische Gegner Struck von der SPD aber schon. Die Zeiten der Großen Koalition lagen damals schon eine Weile zurück, in denen das Gespann Kauder und Struck an der Spitze der Regierungs­fraktionen Union und SPD Freunde geworden waren und offenbar noch lange danach gern in den gemeinsame­n Erinnerung­en schwelgten. Deshalb konnte Kauder nach eigenem Bekunden nicht anders, Struck auch in dieser leicht peinlichen Situation zu bestätigen: Ja, er vermisse ihn. Auch, wenn Brüderle danebensta­nd.

Kauder bekennt, er vermisse Struck noch immer. Peter Struck starb kurz vor Weihnachte­n 2012, da war er noch keine 70 Jahre alt. Und in dieser Woche, am 24. Januar, wäre er 75 Jahre alt geworden. Für Kauder war dies Anlass zu einer besonderen Erinnerung: ein Buch, das er initiierte und das am Mittwoch vorgestell­t wurde. Herausgebe­r Volker Kauder als Gast der SPD-nahen Friedrich-EbertStift­ung, deren Vorsitzend­er Struck die letzten beiden Jahre seines Lebens gewesen war – und die ebenfalls beteiligte Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU – vertreten durch ihren soeben aus dem Amt geschieden­en Vorsitzend­en Hans-Gert Pöttering. So viel Harmonie zwischen Christ- und Sozialdemo­kraten war angetan, eine Freundscha­ft wie die zwischen Kauder und Struck sehr bald als das zu empfinden, was sie ist – zwischen Menschen auf gleicher gesellscha­ftlicher Ebene, die die gleichen Werte teilen und und allenfalls über unterschie­dliche Ausdeutung­en und Sozialisie­rungen in Disput geraten würden: nämlich normal. Freundscha­ft in der Politik ist ein vermintes Feld, aber es gibt sie, wie dieser Fall zeigt.

Um Männerfreu­ndschaften wird gern ein wenig Tamtam gemacht, wenn die Beteiligte­n wichtig genug sind. Dies trifft hier zu. Ein Kauz war dieser Struck, der sich gern in seiner Motorradkl­uft zeigte oder mit Pfeife im Mund. Ein raubeinige­r Norddeutsc­her, über den das Buch Attribute wie Glaubwürdi­gkeit, Bodenständ­igkeit, Führungsst­ärke und Menschlich­keit zusammentr­ägt. Kauder legt auf das Vertrauen wert, das gegenseiti­g nötig war in ihrer beider Aufgabe und auf das er sich verlassen konnte. Andrea Nahles, heutige Nachfolger­in Strucks an der SPD-Fraktionss­pitze, erinnert sich an einen Mann, der Respekt ausstrahlt­e, aber auch Respekt zollte. Und so weht sanft die Rührung herüber – im Buch wie in den Ebert-Stiftungss­aal voller interessie­rtem Publikum. Und ein wenig Rührseligk­eit auch.

Doch der Politiker Struck, der seine Fraktion auf Linie brachte, der Parteisold­at, der auf Disziplin pochte und als Bundesvert­eidigungsm­inister davon sprach, dass Deutschlan­ds Sicher- heit auch am Hindukusch verteidigt werde – dieser Peter Struck konnte nicht jedermanns Freund sein. Und das wollte er auch nicht. Durchsetzu­ngskraft ist eine nicht nur sympathisc­he Fähigkeit in einem Gewerbe, in dem es dauernd Sieger und Besiegte gibt.

Die Große Koalition, deren vierte Auflage jetzt womöglich vor der Tür steht, galt damals noch als eine Ausnahme. Sie hatte es in der alten Bundesrepu­blik nur einmal gegeben. 2005 dann hatte SPD-Kanzler Gerhard Schröder über eine Vertrauens­abstimmung Neuwahlen herbeigefü­hrt und diese schließlic­h verloren. Eine Regierung aus Union und SPD war die Folge, aber sie als abnorm zu empfinden, wie Schröder selbst es darstellte, war schon damals übertriebe­n – hatten doch die »Volksparte­ien« bereits zuvor gemeinsam dafür gesorgt, dass die tiefen Schnitte in bisherige gesellscha­ftliche Normen, die sie bis heute als unabdingba­r für das Wohl des Landes darstellen, so reibungslo­s wie möglich über die politische Bühne gehen konnten. Der erste Krieg, an dem Deutschlan­d sich seit 1945 beteiligte, und die Agenda-2010-Reformen, beide wurden in kaum bemäntelte­r Einigkeit von damals rot-grüner Regierung und der Union in der Opposition durchgeset­zt.

Doch auch wenn die gut besuchte Gedenkvera­nstaltung am Mittwoch sich als Buchvorste­llung nur notdürftig tarnte, ist der Band kein Gedenkbuch. »Politische und parlamenta­rische Erinnerung­en für Peter Struck«, heißt es im Untertitel, nicht Erinnerung­en »an Peter Struck«. Ein Buch für Struck, so ist es von Kauder gemeint, und die Erörterung­en mehrerer Autoren über Aussichten des Parlamenta­rismus, die schwierige Balance zwischen Regierung und Bundestag, das Spiel der Kräfte im »Fegefeuer« der Fraktionen und die entscheide­nde Rolle der Vorsitzend­en hierin ist ein lesenswert­er Beitrag zur aktuellen politische­n Debatte.

Dass inzwischen Talkshows zum Hauptmitte­l der Politikane­ignung werden, Politiker nach ihrem ShowWert und weniger ihrer Kompetenz beurteilt werden, ist zu beklagen und wird auch im Buch beklagt. Um nicht gegeneinan­der ausgespiel­t zu werden, hatten Kauder und Struck vereinbart, nur gemeinsam im Fernsehen aufzutrete­n. Wenn einer einzeln eingeladen wurde, ging er nicht hin. Wenn es nach Kauder ginge, könnte es so bleiben. Und Andrea Nahles schien ebenfalls wild entschloss­en.

So viel Harmonie zwischen Christ- und Sozialdemo­kraten war angetan, eine Freundscha­ft wie die zwischen Kauder und Struck bald als das zu empfinden, was sie ist: normal.

Volker Kauder (Hg.): Die Fraktion – Machtzentr­um und Fegefeuer. Politische und parlamenta­rische Erinnerung­en für Peter Struck. 248 Seiten, 29,90 Euro

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5 Ü/HP im 4-Sterne-Hotel Caesar Palace in Giardini Naxos oder Antares-OlimpoLe Terrazze in Letojanni
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