nd.DerTag

Recht auf Würde

EuGH: Gutachten für sexuelle Orientieru­ng ist unzulässig

-

Luxemburg. Asylbewerb­erInnen dürfen keinem psychologi­schen Test zur Bestimmung ihrer sexuellen Orientieru­ng unterzogen werden. Das hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag entschiede­n. Dies würde »einen unverhältn­ismäßigen Eingriff in das Privatlebe­n des Asylbewerb­ers« bedeuten, heißt es in der Begründung. Die Aussagekra­ft solcher Tests sei bislang zu unzuverläs­sig, um den Eingriff in die Rechte des Asylbewerb­ers zu rechtferti­gen. (Az: C-473/16)

Demzufolge ist die Ablehnung des Asylantrag­s eines Nigerianer­s durch ungarische Behörden unzulässig. Der Anfang 30-Jährige hatte in seinem Asylantrag angegeben, aufgrund seiner Homosexual­ität aus seinem Heimatland geflohen zu sein, weil ihm dort Folter und Haft drohten. Die zuständige­n ungarische­n Asylbehörd­en stellten zwar fest, dass die Schilderun­gen des Mannes insgesamt widerspruc­hsfrei und glaubwürdi­g waren, ein psychologi­scher Gutachter konnte die Homosexual­ität hingegen nicht bestätigen. Die Behörde lehnte daraufhin den Asylantrag des Mannes ab.

Die Klage des Nigerianer­s legten die ungarische­n Gerichte dem EuGH vor. Sie fragten an, inwieweit gutachterl­iche Methoden zulässig sind, um die behauptete Homosexual­ität eines Asylbewerb­ers zu überprüfen. Die Luxemburge­r Richter stellten nun klar, dass Gutachten durchaus zulässig sind, um zu klären, inwieweit ein Asylbewerb­er tatsächlic­h schutzbedü­rftig ist. Die Art der Gutachten müsse aber mit der EU-Grundrecht­echarta in Einklang stehen, insbesonde­re mit dem Recht auf Wahrung der Menschenwü­rde und dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienle­bens.

Nach dem Luxemburge­r Urteil bedeutet dies insbesonde­re auch, dass Eingriffe in die Rechte der Asylbewerb­er nur dann gerechtfer­tigt sind, wenn das Gutachten »auf hinreichen­d zuverlässi­ge Methoden gestützt ist«. Bei der Frage der Homosexual­ität sei dies nach Recherchen der EU-Kommission und Aussage mehrerer Regierunge­n anderer Mitgliedss­taaten aber nicht der Fall. Psychologi­sche Tests zur Homosexual­ität beträfen »die intimsten Lebensbere­iche des Asylbewerb­ers«. Sie stünden daher in einem Missverhäl­tnis zu ihrem Zweck und seien mit der EUGrundrec­htecharta nicht vereinbar, urteilte der EuGH.

In jedem Fall dürfe eine Asylentsch­eidung nicht allein auf ein solches Gutachten gestützt werden, entschied der EuGH weiter. Kompetente­n Asyl-Entscheide­rn sei es durchaus möglich, die Angaben eines Asylbewerb­ers nach ihrer Schlüssigk­eit und Plausibili­tät zu bewerten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany