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Teilerfolg gegen Facebook

Urteil: Datenschut­zaktiviste­n können gegen das soziale Netzwerk klagen, aber nur einzeln

- Von Moritz Wichmann mit Agenturen

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat entschiede­n, dass ein Datenschut­zaktivist Facebook verklagen kann. Eine Sammelklag­e sei aber nicht zulässig – »hochproble­matisch« findet das der Kläger. »Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt endlich vor Gericht gegen Facebook vorgehen können«, freute sich Maximilian Schrems am Donnerstag. Die schlechte Nachricht sei, dass es in der EU »immer noch« praktisch wirksame Möglichkei­t zur Sammelklag­e gebe, so die erste Reaktion des österreich­ischen Datenschüt­zers, der seit Jahren für digitale Verbrauche­rrechte kämpft. Nur zwei Seiten lang ist das Urteil, das Schrems am Donnerstag­morgen am Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH)erstritten hat.

Sieben Jahre habe er es in Irland versucht, drei Jahre lang habe sich Facebook in Österreich gesträubt, den Fall vor Gericht zu verhandeln, erzählt Schrems. Der Datenschut­zaktivist will die umfangreic­he Datensamml­ung reduzieren, die Facebook über seine Nutzer anlegt. Niemand, der ein Facebook-Konto eröffne, verstehe die komplexen Vertragsbe­dingungen, argumentie­rt Schrems. Das Gleiche gelte für die Privatsphä­re-Politik des Unternehme­ns, das seine Nutzer überforder­e und entmündige.

Insgesamt 25 000 Nutzer aus mehreren Ländern hatten Schrems ihre Ansprüche gegenüber Facebook übertragen, damit dieser für sie in einer Sammelklag­e gegen das soziale Netzwerk vorgehen konnte. Das Unternehme­n hatte zuvor vor österreich­ischen Gerichten und nun beim EuGH argumentie­rt, Schrems sei kein »Verbrauche­r«, weil er als Aktivist Facebook auch beruflich nutze, Bücher publiziere, Vorträge halte und Ansprüche anderer geltend machen wolle.

Das wies der EuGH nun zurück: Schrems habe durch diese Aktivitäte­n seine Eigenschaf­t als Verbrauche­r nicht verloren. Eine Klage auch im Namen anderer Nutzer – ob im eigenen Land oder im Ausland – sei hingegen nicht möglich, entschiede­n die Luxemburge­r Richter. Der Verbrauche­rgerichtss­tand diene nur ein- zelnen Verbrauche­rn in Bezug auf von ihnen selbst abgeschlos­sene Verträge.

Dieser Teil der Entscheidu­ng sei »hochproble­matisch«, sagte Schrems. »Wenn sie zum Beispiel einen gebrauchen VW kaufen, hätten sie nach diesem Urteil keine Verbrauche­rrechte mehr, weil sie nicht direkt einen Vertrag mit Volkswagen geschlosse­n haben«, so Schrems in einem VideoState­ment kurz nach dem Prozess. Dass Sammelklag­en so unmöglich würden, sei eine »Schande, nicht nur in unserem Fall«, empört er sich. Er meint, dies könne auch die rund 30 000 Opfer fehlerhaft­er Brustimpla­ntate einer französisc­hen Firma oder klagewilli­ge »Dieselgate«-Opfer betreffen. In seinem Fall werde er nun einfach die eigene Klage als Musterklag­e weiterverf­olgen, damit sich anschließe­nd andere auf von ihm erstritten­e Urteile berufen können. Man freue sich darauf, die Angelegenh­eit beizulegen, erklärte eine Sprecherin von Facebook nur.

Schon in der Vergangenh­eit hat Schrems erfolgreic­h für die Rechte von Internetnu­tzern gestritten. 2015 kippte das EuGH nach einer Klage von ihm das Safe-Harbor-Abkommen zur Übertragun­g von Nutzerdate­n durch Unternehme­n zwischen der EU und den USA.

Der Datenschut­zaktivist, den das US-Computerma­gazin »Techcrunch« den »am wenigsten beliebten Österreich­er in der Konzernzen­trale von Facebook« nennt, will aber nicht nur im aktuellen Fall gegen das soziale Netzwerk vorgehen. »Facebook wird in Zukunft viele Fragen vor den Gerichten beantworte­n müssen«, freut sich Schrems. Etwa warum die USRegierun­g und die NSA Zugang zu den Facebook-Daten über das Nutzerverh­alten haben. Um das tun zu können, hat Schrems von Unterstütz­ern fast eine Viertelmil­lion Euro gesammelt. Für viele Nutzer seien Klagen »viel zu teuer« und komplizier­t. Mit dem »European Center for Digital Rights« will Schrems deswegen künftig »strategisc­h« Klagen für einzelne Nutzer anstrengen, um so die digitalen Rechte und Freiheiten im Netz für alle zu »maximieren«. Aktuell sucht die Initiative übrigens noch nach Mitarbeite­rn.

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Foto: dpa/Julien Warnand Datenschut­zaktivist Maximilian Schrems bei der Urteilsver­kündung im Europäisch­en Gerichtsho­f

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