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Was stört mehr – hohe Mieten oder Sexarbeit?

- Von Stefan Otto

Der Bezirk Mitte startet eine Umfrage bei Anwohnern der Kurfürsten­straße. Mit den Erkenntnis­sen daraus soll ein effektives Quartiersm­anagement aufgebaut werden. Berüchtigt ist die Kurfürsten­straßen zweifelsoh­ne, seit Jahrzehnte­n floriert dort ein Straßenstr­ich – Anwohner schlossen sich dagegen zu einer Initiative zusammen, sie wollen nicht mehr jeden Tag den zumeist jungen Prostituie­rten aus Osteuropa bei der Arbeit zusehen. Auch die Drogenszen­e verunsiche­rt die Nachbarsch­aft. Über diese Befindlich­keiten will der Bezirk Mitte jetzt mehr erfahren – ob die Initiative nur eine laute Minderheit ist oder der Ärger wirklich groß ist – und plant eine Umfrage unter den Anwohnern zwischen Lützowplat­z und Gleisdreie­ck. »Wir wollen ein Stimmungsb­ild erhalten«, erläuterte der Bezirksbür­germeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), am Donnerstag vor Journalist­en.

Anfang Februar wird allen 6100 über 16 Jahre alten Bewohnern des Kiezes rund um die Kurfürsten­straße der Fragebogen zugestellt. Bis Ende des Monats rechnet von Dassel mit einem Ergebnis der Umfrage, die in Zusammenar­beit mit der Universitä­t Potsdam erstellt wird.

In der Erhebung geht es nicht nur um den Straßenstr­ich und die Drogenszen­e, sondern auch um Probleme mit steigenden Mieten oder der Zufriedenh­eit mit dem Bezirksamt.

In der Erhebung geht es nicht nur um den Straßenstr­ich und die Drogenszen­e, sondern auch um Probleme mit steigenden Mieten oder der Zufriedenh­eit mit dem Bezirksamt. Von Dassel weiß, dass einige Anwohner die Sexarbeit in ihrer Nachbarsch­aft erduldeten, weil diese die Mieten gering halte. Von dem Argument hält er jedoch nicht viel: »Wie wäre es denn, wenn wir dort eine Müllverbre­nnungsanla­ge ohne Filter bauen würden, das würde auch die Mieten niedrig halten, wäre aber keine nachhaltig­e Stadtentwi­cklung«, gibt er zu bedenken.

Von Dassel will die Auswertung der Umfrage abwarten und anschließe­nd notwendige Schritte einleiten. Hintergrun­d ist die Bereitstel­lung von 100 000 Euro der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung (BVV) für ein besseres Quartiersm­anagement. Aber ganz so ergebnisof­fen, wie von Dassel vorgibt, ist er nicht. Der Straßenstr­ich ist ihm ein Dorn im Auge – und diesbezügl­ich hat er dem Justizsena­tor Dirk Behrendt einen Brief geschriebe­n. Darin fordert er seinen Parteifreu­nd auf, die Prostituti­on in unmittelba­rer Nähe von Kinderund Jugendeinr­ichtungen per Rechtsvero­rdnung zu verbieten.

Bislang gebe es in dem entspreche­nden Gesetz keine genaue Definition dafür, sagte von Dassel. Eine solche könnte aber weitreiche­nde Folgen für den Kiez haben: So könnte die Verrichtun­g von Sexarbeit etwa in die Nachtstund­en verlagert werden oder Sperrzonen rund um Schulen und Kitas gezogen werden. »Ein 100-MeterRadiu­s würde eine weitgehend­e Einschränk­ung der Prostituti­on zur Folge haben«, sagte von Dassel. »Ein 200-Meter-Radius würde sie komplett unterbinde­n.«

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