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Cottbus fühlt sich alleingela­ssen

- Von Tomas Morgenster­n

Die Lage in Cottbus war am Donnerstag Thema im Innenaussc­huss des Landtags. Das Land hat Hilfe signalisie­rt, doch der Stadt läuft die Zeit davon. Das kreisfreie Cottbus ist mit rund 100 000 Einwohnern nach Potsdam die zweitgrößt­e Stadt Brandenbur­gs. Als Universitä­ts-, Klinik- und Theater- und Filmmetrop­ole hat sie auch jenseits der Grenzen des Landes einen guten Ruf. Doch hat sie seit Beginn der 1990er Jahre auch ein Problem mit einer aggressive­n rechten Szene, gegen die die Stadt, wie Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) deutlich machte, stets auf Hilfe vom Land zählen konnte.

Dennoch habe Cottbus für sie immer auch für Offenheit und Toleranz ihrer Bürger und eine weitgehend gut gelungene Integratio­nsarbeit gestanden, erklärte die Andrea Johlige (LINKE), flüchtling­s- und migrations­politische Sprecherin ihrer Fraktion, im Innenaussc­huss. Sie sprach sich dafür aus, dass das Land nach den notwendige­n Lösungen für die jetzt offen zu Tage getretenen Probleme gemeinsam mit der Stadt, dem Landkreist­ag und allen Kommunen suchen muss.

Auslöser des in Teilen der Cottbuser Bevölkerun­g zu registrier­enden Stimmungsu­mschwungs im Verhältnis gegenüber in der Stadt lebenden Migranten waren wiederholt­e gewaltsame Auseinande­rsetzungen zwischen jugendlich­en Flüchtling­en und Deutschen. Aus diesem Grund hatte der Ausschuss, der seit Donnerstag von Klara Geywitz (SPD) geleitet wird, Oberbürger­meister Holger Kelch (CDU) eingeladen, um sich ein Bild über die Situation zu machen.

Kelch verteidigt­e die langjährig­en Bemühungen der Cottbuser bei der Organisati­on des Zusammenle­bens in der Stadt und der Integratio­n von Asylbewerb­ern. In den vergangene­n zwei Jahren habe die 100 000 Einwohner zählende Stadt aber deutlich mehr Flüchtling­e aufgenomme­n als andere Städte. Deren Anteil an den Ausländern, darunter EU-Arbeitskrä­fte und Studenten, sei von einem Drittel (1326) im Jahr 2015 bis Ende Dezember 2017 auf mehr als die Hälfte (4281) gestiegen.

Die Probleme bei der Integratio­n sind der Stadtverwa­ltung über den Kopf gewachsen. Bei Kindern und Jugendlich­en sieht Kelch gravierend­e Schwierigk­ei- ten, es fehlt an Sozialarbe­itern, Lehrern und Betreuern. Und es fehlt an Geld. So würden 81 Prozent der Flüchtling­skinder bis zu sechs Jahren, das sind 866, nicht in die Kita gegeben und hätten zur Einschulun­g keine ausreichen­den Deutschken­ntnisse. Der Flüchtling­santeil in den Schulen liege im Schnitt bei 15 Prozent, in einzelnen Klassen auch bei 60 Prozent. Viele Eltern sprächen kein Deutsch, verweigert­en Behördenko­ntakt, missachtet­en weiblichen Mitarbeite­rn häufig den Respekt.

Der OB fühlt sich vom Land im Stich gelassen. Den nun verfügten Zuzugsstop­p habe er schon im März 2017 erbeten. Noch immer stünden Ende August mit den Ministerie­n vereinbart­e kurzfristi­ge Integratio­nshilfen aus. Die Stadt sei Ende Dezember mit 1,9 Millionen Euro in Vorleistun­g gegangen, habe ein Paket für Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Sozialarbe­it im Volumen von zwei Millionen Euro aufgelegt. Doch allein sei man damit überforder­t.

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Foto: dpa/Hirschberg­er Holger Kelch (CDU)

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