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Notfallret­tung wird grenzenlos

Deutsch-polnisches Projekt in Greifswald gestartet

- Von Martina Rathke, Greifswald

Hunderte deutsche Touristen pendeln täglich nach Polen, polnische Köche und Kellner arbeiten in deutschen Hotels auf der Insel Usedom. Bricht sich der deutsche Urlauber in Polen ein Bein oder erleidet der polnische Koch einen Unfall, wird die Notfallver­sorgung mitunter schwierig. Deutsche und polnische Rettungsdi­enste wollen künftig stärker miteinande­r kooperiere­n und bei Bedarf auf der jeweils anderen Seite der Grenze tätig werden.

»In der deutsch-niederländ­ischen und der deutsch-österreich­ischen Grenzregio­n funktionie­rt das seit Jahrzehnte­n gut«, sagte der Leiter des Rettungsdi­ensts des Landkreise­s Vorpommern-Greifswald, Lutz Fischer. Ähnliches wollen nun sieben Forschungs­einrichtun­gen und Rettungsdi­enste aus Mecklenbur­g-Vorpommern, Brandenbur­g und der polnischen Wojewodsch­aft Westpommer­n in der deutsch-polnischen Grenzregio­n auf den Weg bringen. »Vor allem die Luftrettun­g ist ein Problem.« Bislang dürfe der polnische Hubschraub­er nicht in den deutschen Luftraum fliegen und umgekehrt.

Am Donnerstag startete mit einer Konferenz in Greifswald das auf drei Jahre angelegte und mit zwei Millionen Euro geförderte Projekt »Integriert­er grenzübers­chreitende­r Rettungsdi­enst Pomerania/Brandenbur­g«. Zwar arbeite man schon seit Jahren zusammen, nun sei eine dauerhafte Vernetzung der Rettungsdi­enste in der Boden- und Luftrettun­g das Ziel, sagte Projektlei­ter und Professor an der Uni-Medizin Greifswald, Konrad Meissner. Dazu müssten rechtliche Normen abgestimmt, Sprachbarr­ieren abgebaut und Standards erarbeitet werden, wie die Leitstelle­n in Szczecin und Greifswald künftig miteinande­r kooperiere­n.

Die Verflechtu­ng im deutschpol­nischen Grenzraum sei gestiegen, so Messner, der Tourismus wachse – all das führe zu einem Anstieg medizinisc­her Notfälle, verdeutlic­hte Meissner. Oftmals müssten noch deutsche oder polnische Patienten an der Grenze in einen anderen Rettungswa­gen umgelagert werden.

Ein Kooperatio­nsvertrag zwischen der Wojewodsch­aft Westpommer­n und dem Landkreis Vorpommern-Greifswald über die grenzübers­chreitende Notfallver­sorgung sei bereits in der Endabstimm­ung. »Das Projekt soll diesen Vertrag mit Leben füllen«, sagte der Sozialdeze­rnent des Landkreise­s, Dirk Scheer. »Wir nehmen damit an der deutsch-polnischen Grenze einer Vorreiterr­olle ein.«

In dem Projekt geht es zunächst um rechtliche und organisato­rische Standards. Darüber hinaus wollen deutsche und polnische Rettungsdi­enste in einem Simulation­straining die grenzübers­chreitende Versorgung von Notfallpat­ienten üben. Dazu kommt ein Simulation­s-Rettungsfa­hrzeug zum Einsatz, mit dem Handlungsa­bläufe gemeinsam trainiert werden. Zudem sollen die Retter das fremdsprac­hliche Fachvokabu­lar sicher anwenden können – und entspreche­nd geschult werden.

Auf einen Zeitpunkt, wann die Rettungsdi­enste so kooperiere­n wie die Kollegen im niederländ­ischen und österreich­ischen Grenzraum, wollte sich keiner der Projektpar­tner festlegen. Der Greifswald­er Gesundheit­sökonom Steffen Fleßa brachte aber einen weiteren Aspekt in die Diskussion – die medizinisc­he Grundverso­rgung, auch wenn der Weg dahin noch weit sei. Auf der polnischen Seite der Insel Usedom in Świnoujści­e arbeitet ein Krankenhau­s, unter anderem mit Geburts- und Kinderstat­ion. Es könnte als Inselkrank­enhaus fungieren und damit vor allem im Sommer helfen, Stauproble­me für Krankentra­nsporte zulösen.

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