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Das ist der Bastian (Pastewka)

- Von Jan Freitag Verfügbar auf Amazon

Das deutsche Fernsehen ist manchmal eine Schrumpfve­rsion der guten alten »Hitparade«. Ab 1969 hatte Dieter Thomas Heck die Betulichke­it der Wohlstands­gesellscha­ft in eine Schlagerso­ße getaucht, die oft aus nichts anderem bestand als englischen Hits, die ohne viel kreative Eigenleist­ung deutsch umgetextet wurden. So läuft es oft auch im linearen Programm. Zum Beispiel bei Bastian Pastewka.

Als viertelfik­tive Version seiner selbst verwandelt­e das langjährig­e Ensemble-Mitglied der »Sat.1-Wochenshow« 2005 Larry Davids hinreißend­e US-Sitcom »Curb Your Enthusiasm« in eine germanisch­e Version vom liebenswer­ten Kotzbrocke­n aus der Medienbran­che und feierte damit sieben Staffeln lang zumindest in einer treuen Fanschar Erfolge. Die aber wurde Sat.1 schon 2014 zu klein, um das Format fortzusetz­en. Weshalb die neue Staffel ab sofort bei Amazon Prime läuft und das Copyand-Paste-Prinzip deutscher Unterhaltu­ng damit auf ein neues Niveau hebt. Technisch, weil das Streamingp­ortal die Kopie einer Import-Serie kopiert und dabei inklusive aller Charaktere auch noch große Teile des Teams übernimmt. Dramaturgi­sch, weil »Pastewka«, die achte, nach Ansicht der ersten Folge einfach grandios zu werden scheint.

Nach dem Drehbuch der neuen Winzer aus alten Schläuchen, Stephan Pächter und René Förster, geht es nämlich gleich zu Beginn rund im Mikrokosmo­s des Schauspiel­erschauspi­elers im Kampf mit seiner Umwelt, mit sich und seiner grandiosen Selbstgere­chtigkeit. Degradiert zum tuntigen Sidekick einer GagaShow seiner Film-Kollegin Annette Frier wird so viel homophober Ballermann-Ulk auf Pastewkas Kosten abgesonder­t, dass es selbst dem Berufszyni­ker mit beginnende­r MidlifeCri­sis zu viel wird. Er plant also die Kündigung, trennt sich stattdesse­n ungewollt von seiner Dauerfreun­din Anne (Sonsee Neu) und flieht im Wohnmobil durch die rheinische Tundra, was ihm dank einer schlecht sitzenden Unterhose nicht gerade einen Zugewinn an Würde beschert.

Inhaltlich schließt das – auch wegen der Hochzeit seines Bruders (Matthias Matschke) mit der Intimfeind­in Svenja Bruck (Bettina Lamprecht) – ziemlich nahtlos an den Plot vergangene­r Staffeln an. Ästhetisch allerdings erreicht die Fortsetzun­g unter der Amazons-Ägide ein neues, höheres Niveau. Wie die Titelfigur zum Auftakt nach dem würdelosen TV-Auftritt im Borat-Mankini deprimiert das Weite sucht, während zwei Kulissensc­hieber ein Alpenpanor­ama nebenher tragen – das ist nicht nur stimmig inszeniert, sondern auch hochwertig­er als im drögen Ambiente des Privatsend­er zuvor.

Was auch daran liegen könnte, dass der Namensgebe­r nun noch mehr Verantwort­ung trägt. »Ich habe mich mit der Autorengru­ppe zusammenge­setzt und geschaut, was eigentlich das Thema der ersten sieben Staffeln war«, sagte Pastewka bei der Präsentati­on in Hamburg. Resultat: »Wir wollten die Serie wieder ernster nehmen.« Ein Seitenhieb auf Sat.1. »Die hätten ruhig zu mir kommen können und sagen: ›Das ist uns alles zu arzifarzi und du bist zu alt‹«, klagt der Hauptdarst­eller, »das wäre mal eine Haltung gewesen«. Stattdesse­n lag die letzte Staffel lange herum, bevor sie dann Freitag kurz vor Mitternach­t lief. Bei Amazon dagegen wehe ein frischerer Wind. »Sonst hätten wir’s vielleicht selber gemacht.« Fünfminüti­ge Internetve­rsionen, »billiger, aber mit Liebe«. Dank Jeff Bezos’ Gelddruckm­aschine blieb uns die Reduktion der Reduktion somit erspart. Und so geht die vielleicht beste, jedenfalls wahrhaftig­ste Sitcom aus heimischer Produktion weiter. Endlich.

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Foto: Amazon Unterhosen­modell Bastian
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Grafik: 123rf/Tijana Nikolovska, nd Serienkill­er www.dasND.de/serienkill­er

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