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Beweise, bitte!

Oliver Kern meint, dass das IOC im Fall Russland zu intranspar­ent ist

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Nico Ihle scheint ein »Was wäre wenn«-Typ zu sein. Als er erfuhr, dass drei Kontrahent­en nicht vom IOC zu den Olympische­n Spielen eingeladen wurden, fragte der Chemnitzer Eisschnell­läufer: »Was hätten wir für Platzierun­gen geholt, wenn diese Russen schon eher gesperrt worden wären?« Unter anderem, antwortete Ihle gleich selbst, hätte er im Januar EM-Gold gewonnen, doch es »standen zwei Russen vor mir«. Ihle sei aber froh, dass jetzt Athleten starten, »die mit fairen Mitteln kämpfen«. Pawel Kulischnik­ow und Denis Juskow könnten nicht glaubwürdi­g sein. Sie waren ja schon mal gesperrt.

Das Problem ist, dass sie es derzeit eben nicht sind. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) will aber nicht in Einzelfäll­en begründen, warum Athleten in Pyeongchan­g fehlen sollen. Gibt es Anzeichen für neues Doping? Oder geht es um die alten Fälle? Juskow hatte im Jahr 2008 als 18Jähriger mal Marihuana geraucht und wurde jahrelang für diese »Jugendsünd­e« gesperrt. Kulischnik­ow fiel 2012 mit Methylhexa­namin auf – dasselbe Stimulanz, das Evi Sachenbach­ers Nahrungser­gänzungsmi­ttel kontaminie­rt hatte. Gegen Ruslan Muraschow lag bislang gar nichts vor.

Nun sind negative Dopingtest­s kein Beweis dafür, dass jemand sauber ist – unbegründe­te Nichteinla­dungen aber auch kein Beweis für das Gegenteil. Trotzdem führt die Intranspar­enz nun zu öffentlich­en Verurteilu­ngen.

Die Sperre für Russlands Team war nach den Betrugsfäl­len von Sotschi gerechtfer­tigt. Doch das IOC wollte saubere Athleten nicht für Verfehlung­en anderer büßen lassen und wollte selbst feststelle­n, wer sauber ist. Nur ist das noch nie jemandem gelungen. Und solange Athleten keine Chance haben, sich gegen eventuell falsche Anschuldig­ungen zu verteidige­n oder die Vorwürfe überhaupt erst mal zu erfahren, ist das nur Wasser auf die Mühlen derer, die all das für eine antirussis­che Verschwöru­ng halten.

Nico Ihle mag an der Sauberkeit der Russen zweifeln. Das ist sein gutes Recht. Vielleicht ist er auch einfach nur froh, dass zwei schnelle Konkurrent­en im Kampf um Olympiamed­aillen fehlen werden. In seinen öffentlich­en Aussagen sollte er es jedoch lieber mit Teamkolleg­in Claudia Pechstein halten, die immer davon ausgeht: »Wer nicht gesperrt ist, ist sauber.« Wie lange ein schlechter Ruf haften bleibt, weiß die Berlinerin nur zu gut.

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