Alles Käse?
Der Manchego kann Mexiko und die Europäische Union »entzweien«
Verhandlungen Mexiko – EU über das Freihandelsabkommen drohen zu scheitern. Grund ist der Manchego-Käse – der in Mexiko und Spanien denselben Namen trägt, aber verschiedene Produkte bezeichnet. Es vergeht kaum ein Tag, an dem USPräsident Donald Trump nicht gegen das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA wettert, das er für den »schlechtesten Deal aller Zeiten« hält. Gerade erst drohte er zum wiederholten Male damit, den Pakt aufzukündigen. Angesichts der aggressiven Töne aus Washington versucht Mexiko seinen Außenhandel zu diversifizieren. Seit Monaten verhandelt das Land mit der Europäischen Union (EU) über die Aktualisierung und Ausweitung des im Jahr 2000 geschlossenen gemeinsamen Freihandelsabkommens. Die Verhandlungen aber drohen zu scheitern – am Käse. Dabei geht es um Millionen.
Die EU versucht in den Verhandlungen mehr als 300 Produkte zu schützen, die sich auf bestimmte geografische Regionen beziehen, darunter Weine, Biere und 57 Käsesorten wie griechischer Feta, Schweizer Gruyère oder italienischer Parmesan. Zentraler Streitpunkt aber ist der Manchego-Käse. Der trägt in Mexiko und Spanien zwar denselben Namen, bezeichnet im Grunde aber unterschiedliche Produkte, die sich in Geschmack und Preis stark unterscheiden. Die spanischen Käseproduzenten fordern eine Namensänderung des mexikanischen Käses. Doch ihre mexikanischen Kollegen widersetzen sich standhaft.
Der spanische Käse ist ein Hartkäse mit einer Reifezeit von einem Monat bis zu zwei Jahren. Die mexikanische Version ist viel weicher, zerläuft sehr leicht, um beispielsweise Nachos zu überbacken oder in Tortillas gestopft zu werden, und ist nicht gealtert. Beide Sorten haben in etwa soviel miteinander zu tun wie die spanische Tortilla und ihre mexikanische Namensvetterin. Auch die Zutaten sind unterschiedlich. Der mexikanische Manchego wird auf Basis pasteurisierter Kuhmilch hergestellt, der spanische dagegen aus Schafsmilch. Aber nicht mit der von irgendwelchen Schafen, sondern der der Ovis Aries Ligeriensis, besser bekannt als Manchego-Schafe.
Die Spanier behaupten mit einer gewissen Logik, dass der ManchegoKäse so heißt, weil er in La Mancha hergestellt wird, einer südlich von Madrid gelegenen Region um die Städte Albacete, Ciudad Real, Cuenca und Toledo. Alles andere sei Schwindel, so Antonio Martínez Blasco, Präsident der spanischen Klassifizierungsbehörde für Manchego-Käse (Denominación de Origen (DO) Queso Manchego), gegenüber der spanischen Online-Tageszeitung »El Diario«. »Das ist Verbraucherbetrug und darf nicht Manchego oder Typ Manchego genannt werden.« Champagner heiße so, weil er in der gleichnamigen französischen Region Champagne hergestellt wird; alle anderen ähnlichen Getränke müssen andere Bezeichnungen tragen wie Crémant oder Schaumwein.
Aus der Sicht der Europäer werden die Verbraucher über den Ursprung des Erzeugnisses getäuscht, wenn auf dem mexikanischen Markt Käse unter Verwendung der europäischen geografischen Angaben verkauft wird, entweder im Namen oder weil die Flagge des Ursprungslandes auf der Verpackung abgedruckt ist.
René Fonseca Medina, Generaldirektor der mexikanischen Kammer der Milchindustrie (Cámara Nacional de Industriales de la Leche, Canilec) dagegen verweist darauf, dass es Käsesorten gebe, deren Namen »seit Jahrzehnten im Land verwendet werden«. »In Mexiko reden wir über Manchego-Käse, um über eine Art von Produkt zu sprechen, nicht über seinen Ursprung«, so Fonseca.
Letztlich geht es aber nicht um regionale Befindlichkeiten oder verletzten Regionalstolz, sondern um viel Geld. Der Manchego ist einer der beliebtesten Käsesorten in Mexiko. Er macht etwa ein Siebtel des gesamten mexikanischen Käsemarktes aus. Knapp 97 Prozent des in Mexiko konsumierten Manchego-Käses stammen laut Canilec aus heimischer Produktion. Ein Markt mit einem Volumen von mehr als 210 Millionen Euro im Jahr. Viel zu verlieren also.
Mexikanischer Manchego-Käse wird auch in die USA exportiert, den größten Verbrauchermarkt für Milchprodukte auf der Welt. Aber auch spanischer Manchego-Käse ist ein Exportschlager: 4400 Tonnen wurden 2016 in die USA geliefert, Tendenz steigend. »Wir müssen das Problem so schnell wie möglich angehen, wegen der Konsequenzen, die es auf dem Markt haben kann, vor allem dem amerikanischen«, argumentiert daher Markenschützer Martínez gegenüber »El Diario«. Denn in den USA werde mexikanischer und spa- nischer Manchego-Käse für dasselbe Produkt gehalten – mit entsprechenden Konsequenzen, wie Ismael Alvarez de Toledo, Präsident der Cofradia del Queso Manchego (Bruderschaft des Manchego-Käses) gegenüber der englischen Tageszeitung »The Guardian« erklärt. »Wenn wir versuchen, Käse in Miami zu verkaufen – oder wo auch immer es mexikanischen Einfluss gibt –, und sagen: ›Hier ist unser Manchego für 15 US-Dollar/Kilo‹, sagen die Leute: ›Wir können aber Manchego für 7 US-Dollar/Kilo bekommen‹.«
Unterhändler beider Seiten suchen daher nach einer Formel, die beiden Parteien das Recht garantiert, das sie beanspruchen. Die achte Verhandlungsrunde aber, die dieser Tage in Mexiko-Stadt zu Ende ging, brachte immer noch keinen Durchbruch. Die Gespräche sollen nun ab 5. Februar in Brüssel fortgeführt werden.