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Glyphosat auf der langen Bank

Opposition kritisiert Eckpunkte der Koalitions­partner zur Agrarpolit­ik

- Von Haidy Damm

Die Koalitionä­re haben sich auf Eckpunkte zur Agrarpolit­ik geeinigt. Ein Tierschutz­label soll umgesetzt werden und der Einsatz des Pflanzengi­fts Glyphosat soll »bald« enden. Der Streit zwischen der Union und den Sozialdemo­kraten um ein Verbot des Ackergifte­s Glyphosat scheint zu den Akten gelegt. Ohne großes Hickhack haben sich die Koalitionä­re am Wochenende auf Leitlinien in der Agrarpolit­ik geeinigt. Demnach soll die Nutzung von Glyphosat »so bald wie möglich« enden. Insgesamt streben Union und SPD an, den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n »so weit wie möglich« zu reduzieren. Bis es soweit ist, soll die Forschung nach Alternativ­en gefördert werden. Zudem sollen Strategien für einen besseren Schutz von Bienen und anderen Insekten entwickelt werden.

Bei den Grünen stößt die Ankündigun­g ohne konkretes Ausstiegsd­atum auf Kritik. »Wenn ausgerechn­et ›Glyphosat-Minister‹ Schmidt verkündet, die neue Große Koalition wolle ›so schnell wie möglich‹ und ›grundsätzl­ich‹ den Glyphosata­usstieg, ist das alles andere als vertrauene­rweckend«, kritisiert­e der Grünen-Abgeordnet­e Harald Ebner gegenüber »nd«. Die Eckpunkte zum Insektensc­hutz nannte Ebner ein »Lippenbeke­nntnis«, weil SPD und Union »noch nicht einmal festgezurr­t haben, das geplante EU-Verbot für besonders schädliche Bienen- und Insektengi­fte zu unterstütz­en«.

Das Koalitions­papier sieht zudem die Einführung eines staatliche­n Tierwohlla­bels für Fleisch aus dem Supermarkt vor. Die rechtliche­n und organisato­rischen Voraussetz­ungen sollen bis Ende 2019 geschaffen werden. Schmidt hatte bereits vor einem Jahr Kriterien für eine Kennzeichn­ung vorgelegt, die höhere Standards wie mehr Platz im Stall anzeigen soll. Bis zur Bundestags­wahl wurde das aber nicht umgesetzt.

Bereits seit 2015 gibt es eine »Initiative Tierwohl« der Branche. Zudem ist der Handelsrie­se Lidl in der vergangene­n Woche mit einem eigenen Kennzeichn­ungssystem gestartet. Ab April sollen alle Frischflei­schprodukt­e seiner Eigenmarke­n mit einem leicht verständli­chen »Haltungsko­mpass« gekennzeic­hnet werden.

Die Koalition will indes den Mehraufwan­d einer besseren Tierhaltun­g »honorieren« und Landwirte bei den Investitio­nen in Stallmoder­nisierunge­n unterstütz­en. »Wir werden ein bundeseinh­eitliches Prüf- und Zulassungs­verfahren für serienmäßi­g her- gestellte Tierhaltun­gssysteme bei Nutz- und Heimtieren vorlegen«, so Union und SPD.

Zukünftig soll zudem auf umstritten­e und schmerzhaf­te Praktiken in der Tierhaltun­g verzichtet werden. »Ziel ist es, wie beim Schnabelkü­rzen bei Legehennen, in der Nutztierha­ltung auf nicht-kurative Eingriffe zu verzichten«, heißt es in einem Auszug aus dem entspreche­nden Papier, aus dem die Deutsche Presse-Agentur zitiert. Nicht-kurative Eingriffe sind zum Beispiel das Kupieren von Schweinesc­hwänzen oder das nicht schmerzfre­ie Enthornen von Rindern.

Die deutsche Geflügelwi­rtschaft hatte sich bereits 2015 zum Verzicht auf das Schnabelkü­rzen verpflicht­et, seitdem läuft die Praxis aus. Mit solchen nicht-kurativen Eingriffen werde man sich beschäftig­en, kündigte Klöckner an. Alternativ­en sollen laut Papier erforscht werden.

Ebenfalls bis Ende 2019 soll Schluss sein mit dem Massentöte­n männlicher Küken. »Wir haben uns geeinigt auf die Beendigung des Kü- kenschredd­erns«, sagte CDU-Vizechefin Julia Klöckner am Samstag in Berlin. Das geplante Verbot hatten die Parteien schon während der Sondierung­sgespräche ins Auge gefasst.

Die saarländis­che Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) sagte, die drei Parteien hätten sich auch auf ein Ziel für den Ökolandbau geeinigt. Demnach sollen bis 2030 insgesamt 20 Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen dafür genutzt werden. Die Forderung ist alt: Erstmals hatte die Bundesregi­erung dieses Ziel 2002 formuliert – damals bis 2010. Die Koalition hat nun das Jahr 2030 festgelegt – nachdem man in den vergangene­n Jahren auf konkrete Zeitvorste­llungen verzichtet hatte.

Rehlinger kündigte zudem einen Vorstoß für gesündere Lebensmitt­el an. »Noch in diesem Jahr wird es ein Konzept mit Zielmarken und Zeitplan geben, um Zucker, Fett und Salz im Essen zu reduzieren«, sagte sie. Wie, bleibt unklar. Die Ernährungs­branche hat sich bisher erfolgreic­h gegen staatliche Vorgaben gewehrt.

»Noch in diesem Jahr wird es ein Konzept mit Zielmarken und Zeitplan geben, um Zucker, Fett und Salz im Essen zu reduzieren.« Anke Rehlinger (SPD)

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