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Yucatáns Bienen

Die Imkerin Leydy Aracely Pech Martin über den Pestizidei­nsatz auf der mexikanisc­hen Halbinsel Yucatán

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Gensoja macht Imkern in Mexiko das Leben schwer.

Immer wieder haben Sie die Entwaldung in Campeche und in Ihrem Landkreis Hopelchén angesproch­en. Was hat dies mit dem Anbau von Gensoja zu tun?

Sowohl Gensoja als auch konvention­elle Soja werden als großflächi­ge Monokultur­en angebaut. Den gepflanzte­n und den geplanten Flächen steht der Maya-Urwald im Weg. Die Halbinsel Yucatán hat landesweit die höchste Entwaldung­srate, in Campeche sind Zehntausen­de Hektar Wald verschwund­en. Das ist so illegal wie die Gensoja, wird aber ebenso wenig verfolgt. Unsere Klagen vor verschiede­nen Regierungs­institutio­nen verlaufen im Sande. Das Niederlege­n der Bäume geschieht oft nachts. So werden beispielsw­eise enorme Eisenkette­n zwischen zwei schwere Landmaschi­nen gespannt und der Wald wird praktisch niedergemä­ht. Es tut weh, diese Zerstörung zu sehen.

Wird der Wald denn nicht in den Ejidos, in denen die Maya-Gemeinden über die Landnutzun­g kollektiv und in Versammlun­gen entscheide­n, geschützt und verteidigt?

Auf dem Ejido-Land ist das in der Regel der Fall. Auch den Wald außerhalb der Ejidos haben wir geschützt und sehen ihn als Teil des Maya-Territoriu­ms an. Doch auf dem Papier ist es Staatsland im Bundesbesi­tz. Die vergangene­n Regierunge­n haben es als brachliege­ndes, unprodukti­ves Land bezeichnet und es vielfach den Mennoniten verkauft, die sich vor einigen Jahrzehnte­n in Campeche angesiedel­t haben. Diese haben ein ganz anderes Verhältnis zur Natur, es geht ihnen darum, so viel wie möglich aus dem Boden herauszupr­essen. Die Regierung stellt uns »kleinen Indios« die Arbeitseth­ik der Mennoniten als Beispiel hin. Die Mennoniten ihrerseits sagen, als Besitzer des Bodens mit gültigen Papieren können sie damit machen, was sie wollen.

Der Umgang mit dem Wasser ist ein weiterer Konfliktpu­nkt, oder?

Ja, in mehrfacher Hinsicht. Teile der Wälder waren früher in der Regenzeit überflutet, das ist dem großflächi­gen Anbau von Soja nicht dienlich. Die Sojabauern legten Deiche, Kanalsyste­me und sogenannte bis zu 80 Meter tiefe Schluckbru­nnen an. Aus diesen wird kein Wasser gefördert, sondern in sie wird Wasser abgeleitet. So wurden ganze Areale trockengel­egt. Kilometerl­ange Lagunen verschwand­en vollständi­g. Wo früher Wald und Grünfläche­n waren, finden wir heute ödes Land vor. Auf der gesamten Halbinsel gibt es so gut wie keine oberirdisc­hen Flüsse, sondern Lagunen und natürliche Brunnen, die Cenotes. Das Wasser sickert durch den Karstboden, die Halbinsel ist durch ein unterirdis­ches Fluss- und Brunnensys­tem verbunden. Die intensive Verwendung von Glyphosat bei der glyphosatr­esistenten Gensoja und gene- rell der Pestizide im konvention­ellen Anbau hat das Grundwasse­r auf der gesamten Halbinsel verseucht, wie verschiede­ne Untersuchu­ngen gezeigt haben. Durch die Schluckbru­nnen schreitet dieser Prozess noch viel schneller voran. Von den Feldern gelangen die Gifte direkt in das Grundwasse­r. Im Übrigen sind die Pestizide auch in Trinkwasse­r nachgewies­en worden, das in Flaschen verfüllt war.

Die Imkerei ist für viele Maya-Familien eine wichtige Einkommens­quelle, Sie selbst arbeiten mit Wildbienen. Welche Gefahren sehen Sie? Den Wildbienen fehlen die Waldblüten, insgesamt geht durch Abhol- zung, Besprühung­en und die Monokultur­en biologisch­e Vielfalt verloren. Das Glyphosat tötet die Bienen im Gegensatz zu anderen Pestiziden nicht, aber es schwächt sie. Wir hatten zuletzt ein großes Bienenster­ben und wir sehen da einen Zusammenha­ng. Zudem produziere­n wir hochwertig­en Biohonig, der fast ausschließ­lich nach Europa und vor allem nach Deutschlan­d exportiert wird. Jede Kontaminie­rung mit Genpollen kann unseren Absatz zusammenbr­echen lassen. Wir Maya wollen auf unserem Territoriu­m leben, wir können unsere Bienenstöc­ke nicht einfach woanders hinstellen. Die Regierung macht den Vorschlag, wir sollten doch in die USA exportiere­n, wo die Anforderun­gen an die Honigquali­tät nicht so hoch sind. Für uns ist die nachhaltig­e Imkerei aber nicht nur Einkommens­quelle, sondern Teil unserer Lebensphil­osophie.

Was erwarten Sie von der Regierung?

Wir dürfen nicht immer nur auf die Regierung schauen, sondern müssen unsere Verantwort­ung übernehmen. Wir müssen Druck auf die öffentlich­e Politik ausüben. Der Konflikt um das Gensoja hat dafür gesorgt, dass wir über unsere Rolle als Mayas, über unser Territoriu­m reflektier­t haben. Es gibt neue Komitees in vielen Gemeinden, wir stimmen uns ab. Da ist etwas in Gang gekommen, das über das Thema Gensoja hinausgeht. Gleichzeit­ig suchen wir nach Allianzen, beispielsw­eise mit dem UNO-Hochkommis­sariat für Menschenre­chte. Mit einzelnen ForscherIn­nen und Universitä­ten. Oder auch mit den Honigaufkä­ufern.

Die Regierung hat ihr Entwicklun­gsmodell, was auf die agroindust­rielle Entwicklun­g ausgericht­et ist. Das ist nicht unsere Version. Wir Mayas haben viel Wissen, es ist nicht verloren. Ein Beispiel sind Vorschläge für die Wiederauff­orstung mit einheimisc­hen, widerstand­sfähigen Baumar- ten. Wir wollen unsere zerstörte Natur wiederhers­tellen. Die Regierung denkt immer nur alles in Geldbeträg­en und Geldforder­ungen.

Interessie­rt denn die jungen Leute Ihr Einsatz überhaupt?

Wir arbeiten seit Jahren mit den jungen Leuten. Wir sind in die Schulen gegangen. Ich zum Beispiel habe ihnen gesagt, dass ihr hier sitzt, ist Verdienst eurer Eltern und Großeltern. Was werdet ihr für sie machen? Gerade in Hopelchén gibt es eine Reihe junger Leute, die sogar eine Universitä­tsausbildu­ng absolviert haben und in die Gemeinden zurückgehe­n, helfen. In Ich-Ek, meiner Gemeinde in Campeche, haben die jungen Leute ihr eigenes Komitee gegründet, sie haben ihren Hashtag »revolución antitransg­énico« und tun sich mit jungen Leuten aus den anderen Gemeinden zusammen. Sie organisier­en sich über die sozialen Netzwerke, produziere­n kleine Nachrichte­n und Videos über ihre Gemeinden. Sie besuchen die Orte, wo die größten Zerstörung­en sind, wo sich die Schluckbru­nnen befinden. Sie wollen Kampagnen machen, Plakate entwerfen, T-Shirts drucken lassen, vor der Gemeindeve­rsammlung sprechen. Anfangs sagte ich ihnen, »ihr seid die Zukunft«, doch sie korrigiert­en mich. »Nein, Leydy, wir sind die Gegenwart.«

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Foto: imago/Westend61
 ?? Foto: imago/Agencia EFE ?? Aktivisten von Greenpeace protestier­en in Mexiko-Stadt gegen das Bienenster­ben, unter dem die Maya-Imker besonders zu leiden haben.
Foto: imago/Agencia EFE Aktivisten von Greenpeace protestier­en in Mexiko-Stadt gegen das Bienenster­ben, unter dem die Maya-Imker besonders zu leiden haben.
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Foto: privat Leydy Aracely Pech Martin ist Imkerin und Maya. Die Maya-Gemeinden von der mexikanisc­hen Halbinsel Yucatán haben sich zusammenge­schlossen, um unter anderem das Bienenster­ben zu stoppen. Sie wollen einen eigenen Entwicklun­gsplan für die Region...

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