Stahlkocher stimmen für Fusion
ThyssenKrupp einen Schritt näher am Zusammenschluss mit Tata
Düsseldorf. Mit einem »Ja« zum Tarifvertrag zur Fusion mit dem Konkurrenten Tata haben die Beschäftigten von ThyssenKrupp ihre Zustimmung zu einer Neuordnung des Konzerns gegeben. Das teilte die Gewerkschaft IG Metall am Montag mit. 92,2 Prozent der Befragten stimmten demnach dafür. Der Vertrag soll spätestens am Dienstag unterschrieben werden.
Das Votum galt als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer Stahlfusion, die nach der ausstehenden Zustimmung durch den Aufsichtsrat im Frühjahr besiegelt werden könnte. Im Gegenzug sollen die gut 20 000 Beschäftigten der ThyssenKrupp-Stahlsparte eine langfristige Beschäftigungsgarantie bis zum 30. September 2026 erhalten. Das Unternehmen hält allerdings an der geplanten Streichung von 2000 Stellen in Deutschland fest. In den kommenden Wochen sollen nun Gutachten zur Fusion vorgelegt werden, bei denen es unter anderem um die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Zusammenschlusses gehen soll.
Die in der IG Metall organisierten Beschäftigten des Industrie- und Stahlkonzerns ThyssenKrupp sprachen sich am Montag mit überraschend großer Mehrheit für eine Fusion mit dem Konzern Tata aus. Kurz vor Weihnachten 2017 war es so weit: Die ThyssenKrupp-Konzernspitze und der Betriebsrat hatten sich auf einen Kompromiss geeinigt, den die Gewerkschaft den Beschäftigten zur Abstimmung vorlegen wollte. Der Kompromiss umfasste den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 30. September 2026, Garantien zum Erhalt der Altersvorsorge und über den Bestand der Aus- und Weiterbildungskapazitäten bei ThyssenKrupp. An der angekündigten Streichung von rund 2000 Jobs in Deutschland hält der Konzern allerdings fest. Dem Kompromiss waren monatelange Verhandlungen mit der Unternehmensleitung vorausgegangen.
Die Proteste gegen das »Joint Venture« zwischen ThyssenKrupp und dem indischen Stahlriesen Tata begannen quasi mit der Bekanntgabe von ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger, dass man in Verhandlungen über eine Fusion einsteigen wolle. Wenige Tage später demonstrierten in Bochum über 7000 Beschäftigte für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Willi Segerath, Betriebsratsvorsitzender von ThyssenKrupp sprach sich damals vehement gegen die Fusion mit Tata aus. »Es geht ums Ganze«, sagte er in einer leidenschaftlichen Rede und sprach sich gegen eine Zerschlagung des Konzerns aus. Auch die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nutzte die Chance, im Endspurt des Bundestagswahlkampfes noch einmal Stimmung zu machen, und rief den Stahlarbeitern entgegen: »Wir sind zum Kampf bereit!«
In den kommenden Wochen und Monaten köchelte der Protest gegen die Fusion weiter. Einer der Zielpunkte war die schwarz-gelbe Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unter Armin Laschet (CDU). Gewerkschaftsvertreter warfen dem Christdemokraten vor, zu passiv zu agieren und die Unternehmensseite gegenüber den Beschäftigteninteressen zu sehr zu berücksichtigen.
Im Dezember kam es dann zur Einigung zwischen Betriebsrat und Konzernleitung. Allerdings enthält die Vereinbarung einige Tücken. Betriebsteile in einzelnen Standorten, wie Bochum und Duisburg könnten im Jahr 2021 geschlossen werden. Auch erzielten die Beschäftigtenvertreter keinen Sieg bei der Frage des Standortes des neu zu schaffenden Unternehmens. Dieser soll Amsterdam sein, um keinen der neuen Partner zu bevorzugen, da blieben Hiesinger und Co. knallhart. Die Stahltochter von ThyssenKrupp hat ihren Sitz in Duisburg, das Europageschäft von Tata ist in London ansässig.
In einem Flugblatt kritisiert die Vertrauenskörperleitung der IG Metall bei ThyssenKrupp: »Der Verlust der Montanmitbestimmung durch die Verlegung des Firmensitzes ist ein herber Schlag, aber da wurde nicht von abgegangen. Da hätte uns die Unterstützung unserer Landesregierung und der Krupp Stiftung gut getan, die wir aber nicht hatten.« Ins- gesamt gab es also einige Punkte, die bei den Beschäftigten für Bauchschmerzen sorgen konnten. Dies machte die über einen Monat dauernde Abstimmung so spannend. Hätten die ThyssenKrupp Mitarbeiter Nein zur Fusion gesagt, hätten die Beschäftigtenvertreter im Aufsichtsrat dagegen gestimmt. Ein Ja zur Fusion wäre dann nur möglich gewesen, wenn der langjährige Henkel-Chef und ThyssenKrupp-Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner von seinem doppelten Stimmrecht Gebrauch gemacht hätte. Dies wäre einer Attacke auf die Unternehmenskultur von ThyssenKrupp und die Montanmitbestimmung gleichgekommen.
Am Montagnachmittag war es dann so weit. Betriebsrat und IG Metall verkündeten das Ergebnis der Abstimmung. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die in der Gewerkschaft organisierten ThyssenKrupp-Arbeiter dem Kompromiss zu. Überraschend ist, mit welcher Deutlichkeit der Kompromiss durchkam: Bei einer Wahlbeteiligung von 71,3 Prozent stimmten 92,2 Prozent der IG-Metall-Mitglieder zu. Am niedrigsten war dabei noch die Zustimmung im Duisburger Stammwerk mit nur 86,7 Prozent. An vielen anderen, kleineren Standorten stimmten sogar 97 bis 98 Prozent der Beschäftigten für den Kompromiss.
Kurt Giesler von der IG Metall Nordrhein-Westfalen nannte das Ergebnis »überragend«, es zeige, wie hoch die Zustimmung der Mitglieder zum Kompromiss sei. Detlef Wetzel, der im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, betonte, das Ergebnis zeige, dass die zentralen Punkte für die Beschäftigten im Kompromiss enthalten seien.