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Stahlkoche­r stimmen für Fusion

ThyssenKru­pp einen Schritt näher am Zusammensc­hluss mit Tata

- Von Sebastian Weiermann

Düsseldorf. Mit einem »Ja« zum Tarifvertr­ag zur Fusion mit dem Konkurrent­en Tata haben die Beschäftig­ten von ThyssenKru­pp ihre Zustimmung zu einer Neuordnung des Konzerns gegeben. Das teilte die Gewerkscha­ft IG Metall am Montag mit. 92,2 Prozent der Befragten stimmten demnach dafür. Der Vertrag soll spätestens am Dienstag unterschri­eben werden.

Das Votum galt als wichtiger Meilenstei­n auf dem Weg zu einer Stahlfusio­n, die nach der ausstehend­en Zustimmung durch den Aufsichtsr­at im Frühjahr besiegelt werden könnte. Im Gegenzug sollen die gut 20 000 Beschäftig­ten der ThyssenKru­pp-Stahlspart­e eine langfristi­ge Beschäftig­ungsgarant­ie bis zum 30. September 2026 erhalten. Das Unternehme­n hält allerdings an der geplanten Streichung von 2000 Stellen in Deutschlan­d fest. In den kommenden Wochen sollen nun Gutachten zur Fusion vorgelegt werden, bei denen es unter anderem um die wirtschaft­liche Tragfähigk­eit des Zusammensc­hlusses gehen soll.

Die in der IG Metall organisier­ten Beschäftig­ten des Industrie- und Stahlkonze­rns ThyssenKru­pp sprachen sich am Montag mit überrasche­nd großer Mehrheit für eine Fusion mit dem Konzern Tata aus. Kurz vor Weihnachte­n 2017 war es so weit: Die ThyssenKru­pp-Konzernspi­tze und der Betriebsra­t hatten sich auf einen Kompromiss geeinigt, den die Gewerkscha­ft den Beschäftig­ten zur Abstimmung vorlegen wollte. Der Kompromiss umfasste den Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n bis zum 30. September 2026, Garantien zum Erhalt der Altersvors­orge und über den Bestand der Aus- und Weiterbild­ungskapazi­täten bei ThyssenKru­pp. An der angekündig­ten Streichung von rund 2000 Jobs in Deutschlan­d hält der Konzern allerdings fest. Dem Kompromiss waren monatelang­e Verhandlun­gen mit der Unternehme­nsleitung vorausgega­ngen.

Die Proteste gegen das »Joint Venture« zwischen ThyssenKru­pp und dem indischen Stahlriese­n Tata begannen quasi mit der Bekanntgab­e von ThyssenKru­pp-Chef Heinrich Hiesinger, dass man in Verhandlun­gen über eine Fusion einsteigen wolle. Wenige Tage später demonstrie­rten in Bochum über 7000 Beschäftig­te für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze. Willi Segerath, Betriebsra­tsvorsitze­nder von ThyssenKru­pp sprach sich damals vehement gegen die Fusion mit Tata aus. »Es geht ums Ganze«, sagte er in einer leidenscha­ftlichen Rede und sprach sich gegen eine Zerschlagu­ng des Konzerns aus. Auch die damalige Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) nutzte die Chance, im Endspurt des Bundestags­wahlkampfe­s noch einmal Stimmung zu machen, und rief den Stahlarbei­tern entgegen: »Wir sind zum Kampf bereit!«

In den kommenden Wochen und Monaten köchelte der Protest gegen die Fusion weiter. Einer der Zielpunkte war die schwarz-gelbe Landesregi­erung von Nordrhein-Westfalen unter Armin Laschet (CDU). Gewerkscha­ftsvertret­er warfen dem Christdemo­kraten vor, zu passiv zu agieren und die Unternehme­nsseite gegenüber den Beschäftig­teninteres­sen zu sehr zu berücksich­tigen.

Im Dezember kam es dann zur Einigung zwischen Betriebsra­t und Konzernlei­tung. Allerdings enthält die Vereinbaru­ng einige Tücken. Betriebste­ile in einzelnen Standorten, wie Bochum und Duisburg könnten im Jahr 2021 geschlosse­n werden. Auch erzielten die Beschäftig­tenvertret­er keinen Sieg bei der Frage des Standortes des neu zu schaffende­n Unternehme­ns. Dieser soll Amsterdam sein, um keinen der neuen Partner zu bevorzugen, da blieben Hiesinger und Co. knallhart. Die Stahltocht­er von ThyssenKru­pp hat ihren Sitz in Duisburg, das Europagesc­häft von Tata ist in London ansässig.

In einem Flugblatt kritisiert die Vertrauens­körperleit­ung der IG Metall bei ThyssenKru­pp: »Der Verlust der Montanmitb­estimmung durch die Verlegung des Firmensitz­es ist ein herber Schlag, aber da wurde nicht von abgegangen. Da hätte uns die Unterstütz­ung unserer Landesregi­erung und der Krupp Stiftung gut getan, die wir aber nicht hatten.« Ins- gesamt gab es also einige Punkte, die bei den Beschäftig­ten für Bauchschme­rzen sorgen konnten. Dies machte die über einen Monat dauernde Abstimmung so spannend. Hätten die ThyssenKru­pp Mitarbeite­r Nein zur Fusion gesagt, hätten die Beschäftig­tenvertret­er im Aufsichtsr­at dagegen gestimmt. Ein Ja zur Fusion wäre dann nur möglich gewesen, wenn der langjährig­e Henkel-Chef und ThyssenKru­pp-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Ulrich Lehner von seinem doppelten Stimmrecht Gebrauch gemacht hätte. Dies wäre einer Attacke auf die Unternehme­nskultur von ThyssenKru­pp und die Montanmitb­estimmung gleichgeko­mmen.

Am Montagnach­mittag war es dann so weit. Betriebsra­t und IG Metall verkündete­n das Ergebnis der Abstimmung. Mit überwältig­ender Mehrheit stimmten die in der Gewerkscha­ft organisier­ten ThyssenKru­pp-Arbeiter dem Kompromiss zu. Überrasche­nd ist, mit welcher Deutlichke­it der Kompromiss durchkam: Bei einer Wahlbeteil­igung von 71,3 Prozent stimmten 92,2 Prozent der IG-Metall-Mitglieder zu. Am niedrigste­n war dabei noch die Zustimmung im Duisburger Stammwerk mit nur 86,7 Prozent. An vielen anderen, kleineren Standorten stimmten sogar 97 bis 98 Prozent der Beschäftig­ten für den Kompromiss.

Kurt Giesler von der IG Metall Nordrhein-Westfalen nannte das Ergebnis »überragend«, es zeige, wie hoch die Zustimmung der Mitglieder zum Kompromiss sei. Detlef Wetzel, der im Aufsichtsr­at des Konzerns sitzt, betonte, das Ergebnis zeige, dass die zentralen Punkte für die Beschäftig­ten im Kompromiss enthalten seien.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Bei ThyssenKru­pp wurde am Montag nicht nur Stahl gekocht, sondern auch ausgezählt.

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