nd.DerTag

Wie Rechte Stimmung machen

Schulungsm­aterial zeigt Versuch der Beeinfluss­ung von Debatten im Internet

- Von Moritz Wichmann

»Trollstürm­e«, nein »Stürme konstrukti­ver Kritik auf verschiede­ne Ziele« wolle man organisier­en. Das erklären die Macher eines rechten Online-Servers in einem nun bekannt gewordenen Schulungsv­ideo. In dem am Wochenende veröffentl­ichten Mitschnitt erklären die Aktivisten der Alt-Right-Bewegung ihren Anhängern, wie im Internet möglichst effektiv Stimmung gemacht werden kann, um so einer kleinen Gruppe überpropor­tional viel Einfluss in der öffentlich­en Debatte zu geben.

Die rechten Kampagnenm­acher erklären in der geleakten Schulung, man solle sich im besten Fall mehrere Fake-Accounts auf den wichtigen Social-Media-Plattforme­n zulegen und dort die von den Kampagnenl­eitern ausgegeben­en Ziele mit Kommentare­n »in den Boden votieren« und mit »vernichten­den Kommentare­n« versehen. Dazu haben die Macher nicht nur eine Anleitung erstellt, sondern auch eine Software geschriebe­n. So soll der YouTube-Suchalgori­thmus manipulier­t und rechte Videos nach oben gespült werden. Gleichzeit­ig wurden mit dem Tool offenbar linke oder bei der AltRight-Bewegung unbeliebte Videos systematis­ch gemeldet.

»VIP«-Mitglied ist der bekannte Identitäre­n-Aktivist Martin Sellner aus Österreich. Die Mitglieder

Das Video, die Daten und Screenshot­s stammen offenbar von einem ehemaligen Administra­tor.

sind in NS-Manier quasi-militärisc­h strukturie­rt in Gefreite, Feldjäger und Sturmtrupp­en, zusammenge­fasst in Gruppen und benannt etwa in »Heeresgrup­pe Süd«, die von Generälen und Paladinen gesteuert werden. Auf dem Server wurden offenbar auch allerhand andere Tipps für rechte Aktivisten verbreitet, etwa zur Lebensmitt­elversorgu­ng in einem imaginiert­en Bürgerkrie­g. Ebenfalls Teil der Bürgerkrie­gsvorberei­tung: ein Hodenschüt­zer.

Das geleakte Video, die Daten und Screenshot­s stammen offenbar von einem ehemaligen Administra­tor. Seit dem Wochenende veröffentl­icht ein Twitter-Account mit dem Namen »Alt Right Leak« verschiede­ne Dokumente und Einzelheit­en zur Medienstra­tegie der Rechtsauße­n-Aktivisten. Darunter sind auch Ausschnitt­e aus einem »Handbuch für Medienguer­illas« von Sellner, in dem von »elektronis­chen Schocktrup­pen« und einem »Sperrfeuer« durch rechte Memes die Rede ist. In den nächsten Tagen soll offenbar weiteres Material veröffentl­icht werden.

Das Material ist nur ein Teil eines wachsenden Korpus von wissenscha­ftlichen Analysen und datenjourn­alistische­n Sammlungen, die zeigen, wie aggressiv die Neue Rechte im Internet und besonders in sozialen Netzwerken vorgeht. So machte etwa im vergangene­n Jahr eine Analyse die enge Vernetzung rechter Verschwöru­ngstheoret­iker in Deutschlan­d deutlich. Außerdem analysiert­en Wissenscha­ftler, wie hauptsächl­ich US-amerikanis­che Alt-Right-Twitter-Accounts vor der Wahl in Frankreich versuchten, den Wahlkampf zu manipulier­en.

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