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Schulz: Ende des Spardiktat­s

SPD-Chef wirbt bei seiner Partei mit den Vereinbaru­ngen zur Europapoli­tik

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Die potenziell­en Koalitionä­re von Union und SPD haken unter den kritischen Blicken der Öffentlich­keit nach und nach ihre Vorhaben ab. Die größten Streitpunk­te blieben bis zuletzt. »Ich bin zuversicht­lich, habe aber meinen Flug wieder geschoben auf morgen.« Die CDU-Vizevorsit­zende Julia Klöckner, die mit diesen Worten von dpa zitiert wurde, scheint reichlich optimistis­ch an die Koalitions­verhandlun­gen herangegan­gen zu sein, wenn sie ihren Flug zunächst am Montag gebucht hatte. Dass die Verhandlun­gen im Willy-Brandt-Haus der SPD in Berlin auch am Montag eng werden dürften, konnte eigentlich niemanden überrasche­n.

Wie ebenfalls zu erwarten war, ging es zuletzt noch um jene Streitpunk­te, die der SPD-Verhandlun­gsgruppe vom jüngsten Parteitag wie ein Mühlstein um den Hals gehängt worden waren und von denen abhängen dürfte, ob der Koalitions­vertrag von rund 200 Seiten vom Parteivolk als ausreichen­d sozialdemo­kratisch gefärbt akzeptiert wird, wenn es in einigen Wochen in einer Mitglieder­befragung darüber entscheide­n soll. Weiterhin ging es deshalb bei den Verhandlun­gen um das Streitthem­a Gesundheit, wo die SPD eine Angleichun­g der Arzthonora­re von Privat- und Kassenpati­enten forderte. Und zweitens um die von der SPD verlangte Eindämmung befristete­r Arbeitsver­hältnisse.

Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sagte dazu, dass der öffentlich­e Dienst »erst einmal Vorbild« beim Ende von sachgrundl­osen Befristung­en sein müsse, »ehe er das von anderen verlangt«. Und Klöckner bekräftigt­e die Ablehnung der Union gegen solche »Einheitszw­angsmaßnah­men, die am Ende für alle teurer aber im Inhalt nicht besser werden«. Reden könne man allerdings darüber, ob Versorgung­slücken im ländlichen Raum durch eine Anhebung der Arzthonora­re geschlosse­n werden könnten. Außerdem sei die Union gesprächsb­ereit bei Maßnahmen, mit denen bei gesetzlich Versichert­en die Wartezeite­n auf einen Facharztte­rmin verkürzt werden können.

Immerhin abschließe­n konnten CDU, CSU und SPD am Montag das Europakapi­tel. Die Pläne sähen mehr Investitio­nen, einen Investitio­ns- haushalt für die Eurozone und »ein Ende des Spardiktat­s« vor, teilte SPDChef Martin Schulz mit. Außerdem sollen mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbe­itslosigke­it bereitgest­ellt werden sowie eine »gerechte Besteuerun­g« von Internetgi­ganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon in Europa erreicht werden. Das Teilergebn­is zu Europa umfasst den Angaben zufolge auch eine Stärkung der Arbeitnehm­errechte in der EU und einen »Sozialpakt für Europa«. Das Europäisch­e Parlament soll gestärkt und eine »breite Bürgerbete­iligung« an der EU-Reformdeba­tte ermöglicht werden.

Schulz appelliert­e an seine Partei, eine Große Koalition als Chance für die Europapoli­tik zu betrachten. »Wir haben jetzt eine echte Chance, zusammen gerade auch mit Frankreich, Europa demokratis­cher, sozialer und handlungsf­ähiger zu machen«, schrieb Schulz am Montag in einem Messenger-Infodienst der SPD an die Parteimitg­lieder. Das sei im Interesse der Bürger Deutschlan­ds und aller Europäer. »Dieses Projekt ist mir ein Herzensanl­iegen«, schrieb Schulz weiter. »Ich würde mir sehr wünschen, dass wir diese Chance jetzt auch nutzen.«

Unterdesse­n geht die Debatte über die künftige Rolle von Martin Schulz ungebremst weiter. Mehrere Mitglieder äußerten öffentlich ihre Bedenken dagegen, dass Schulz ein Ministeram­t übernimmt. Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Axel Schäfer forderte die Parteispit­ze auf, die Namen möglicher Minister aus den Reihen der SPD rasch offenzuleg­en. Der frühere Fraktionsv­ize sagte der »Welt«, in der Partei sei das Bedürfnis an Transparen­z sehr groß. Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Hitschler dagegen betonte gegenüber der Zeitung: »Unsere Mitglieder wählen nicht »Germanys Next Top Minister«, sondern entscheide­n über sozialdemo­kratische Inhalte.«

CDU, CSU und SPD waren am Montag eigentlich zu ihrer Schlussrun­de bei den Koalitions­verhandlun­gen zusammenge­kommen. Zu rechnen war gleichwohl damit, dass es erst am Dienstag zu einem endgültige­n Abschluss kommen würde.Im Falle einer Einigung haben die SPD-Mitglieder dann noch das letzte Wort. Nur wenn sie in einem Mitglieder­entscheid mehrheitli­ch einem Koalitions­vertrag ihre Zustimmung geben, kann die Große Koalition zustandeko­mmen.

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Foto: istock/mikie11 Nach Jahren der Kürzungen soll die Europäisch­e Union wieder sozialer werden. Sagt Martin Schulz.

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