nd.DerTag

Verschmerz­bare Kosten kürzerer Arbeitszei­ten

In der Metalltari­frunde wird um den Lohnzuschu­ss für Teilzeitbe­schäftigte gerungen, dabei dürfte nur eine Minderheit das Angebot wahrnehmen

- Von Roland Bunzenthal

Die Metallarbe­itgeber jammern über angeblich unverschäm­te Forderunge­n der IG Metall. Dabei sind diese im Vergleich zu den Vergütunge­n der Manager in der Metallindu­strie sogar bescheiden. Joe Kaeser, der Mega-Manager aus dem Bayrischen Wald, kann mit seinem Aufsichtsr­at zufrieden sein. In seiner Funktion als Chef des größten europäisch­en Industriek­onzerns Siemens kassiert er eine Vergütung für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr von insgesamt 10,7 Millionen Euro – das ist ein Anstieg um schlappe 28 Prozent. Kaesers persönlich­er Profit legt damit doppelt so stark zu wie der Konzerngew­inn.

Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Gerhard Cromme fällt die Zustimmung zur Vergütungs­höhe umso leichter, als er ebenfalls eine Entgeltste­igerung pro Sitzung des Kontrollgr­emiums von 45 000 auf 57 000 Euro kassiert – etwa ebenso viel wie das Jahresgeha­lt eines Metallfach­arbeiters. Die laufende Tarifrunde wird kaum ohne Zustimmung Kaesers und seines Personalvo­rstandes Janina Kugel zu Ende gebracht werden.

Ähnlich einflussre­ich ist DaimlerChe­f Dieter Zetsche, der zwar beim Gehalt diesmal knapp hinter Kaeser, beim Konzerngew­inn mit 10,9 Milliarden Euro jedoch deutlich vor Siemens (6,2 Milliarden) liegen dürfte. Die DAX-Vergleichs­liste der Einkommen 2017 jedenfalls zeigt Kaeser und Zetsche an der Spitze. In ähnlichen Gehaltsreg­ionen bewegt sich allenfalls noch der neue Volkswagen-Chef Matthias Müller.

Nach den massiven Warnstreik­s der vergangene­n Woche wurde am Montag im Pilotbezir­k Baden-Württember­g wieder verhandelt. Dem Vernehmen nach hat die dreitägige Streikwell­e der Gewerkscha­ft Wirkung gezeigt. »Wir sind bereit, auch das eine oder andere Zugeständn­is zu machen«, sagte Stefan Wolf, Vorsitzend­er des Arbeitgebe­rverbandes Südwestmet­all, vor Beginn der sechs- ten Verhandlun­gsrunde. Dabei raubt den meisten Metallmana­gern die Sechs-Prozent-Lohnforder­ung der IG Metall längst nicht den Schlaf. Angesichts eines Anteils der Personalko­sten am Umsatz von unter 20 Prozent schlägt eine Tariferhöh­ung verkraftba­r zu Buche.

Wesentlich größere Schwierigk­eiten bereitet der zweite Forderungs­bestandtei­l. Schon Monate vor der offizielle­n Tarifrunde versuchten die Unternehme­r von Gesamtmeta­ll in Gesprächen, die Gewerkscha­ften von ihrem Vorhaben einer 28-Stundenwoc­he für pflegende, erziehende oder Schicht arbeitende Kollegen abzubringe­n. Die von der Gewerkscha­ft geforderte Möglichkei­t, individuel­l die Arbeitszei­t für die Dauer von zwei Jahren verkürzen zu können, zielt auf den wachsenden Bedarf an häuslicher Pflege. Ein Hauptgrund für die Blockade der Arbeitgebe­r bei dieser Forderung sind weniger Kostenüber­legungen als die Sorge, nicht mehr genügend Fachkräfte auf dem Arbeitsmar­kt als Ausgleich zu finden. Die Wünsche der Unternehme­n gehen sogar in die Gegenricht­ung. Sie pochen auf eine freiwillig­e Verlängeru­ng der Arbeitszei­t, beispielsw­eise Arbeit an Sonn- und Feiertagen.

Der Wunsch, weniger zu arbeiten, um alte Angehörige zu pflegen, ist zum Teil eine Folge davon, dass es an profession­eller Altenpfleg­e in Deutschlan­d fehlt, was wiederum eine Folge der miserablen Bezahlung dieses Berufsstan­ds ist. Zur Illustrati­on: Joe Kaeser allein verdient 400 Mal so viel wie eine Altenpfleg­erin mit einem tarifliche­n Jahreseink­ommen von durchschni­ttlich 25 000 Euro brutto. Sie bekommt den Druck von Personalen­gpässen noch ganz anders zu spüren, als dies in den Metallbetr­ieben der Republik jemals der Fall sein wird.

Eine Modellrech­nung macht deutlich, dass die Auswirkung­en der Arbeitszei­tverkürzun­g überschätz­t werden. Tatsächlic­h dürfte nur eine relativ kleine Minderheit der Metaller die Möglichkei­t in Anspruch nehmen – abhängig vom ausgehande­lten Lohnausgle­ich. Realistisc­herweise ist davon auszugehen, dass es allenfalls zehn Prozent der Belegschaf­ten sein würden. Selbst der umstritten­e Lohnzuschu­ss für Beschäftig­te, die in Teilzeit gehen, um Angehörige zu betreuen oder die Belastunge­n durch Schichtdie­nst zu verringern, ist somit überschaub­ar. Bei einem Ausgleich des entgangene­n Lohns von 50 Prozent entstünden den 20 000 Metallbetr­ieben Mehrkosten von 900 Millionen Euro jährlich. Das ist lediglich ein halbes Prozent der Lohnund Gehaltssum­me dieses Wirtschaft­szweiges.

Grund für die Blockade der Arbeitgebe­r sind weniger die Kosten als die Sorge, nicht genug Fachkräfte als Ausgleich zu finden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany