nd.DerTag

Gegenwind für Evo Morales

Boliviens Präsident hat mit Widerständ­en vor seiner 2019 geplanten Wiederwahl zu kämpfen

- Von Knut Henkel

Boliviens Präsident Evo Morales will sich nach einer Verfassung­sänderung 2019 im Amt bestätigen lassen. Es regen sich mehr und mehr Proteste gegen den seit 2006 amtierende­n Staatschef. Die Frage ist so provokant wie einleuchte­nd: »Entwalden, um aufzuforst­en?« So steht es mit einem dicken Fragezeich­en versehen auf der Homepage der Stiftung Solón. Die hat ihren Sitz in einem der angesagten Viertel von La Paz, in Sopocachi, und liegt nur ein paar Ecken vom französisc­hen Kulturinst­itut entfernt. Die Stiftung pflegt das Gedenken an Walter Solón Romero Gonzales, der in seinen Bildern den Don Quichote nach Bolivien verpflanzt­e und ihn in einen kritischen Kontext setzte. Diesen bissigen Geist pflegt die Stiftung bis heute und hinterfrag­t recht unverblümt die Wirtschaft­spolitik der Regierung von Evo Morales. Unstrittig ist, so die Statistike­n, dass unter dem aktuellen Präsidente­n, der Anfang Januar sein zwölftes Amtsjubilä­um feierte, so viel Wald wie noch nie zuvor in der Geschichte Boliviens abgeholzt wurde. Für die Lebensmitt­elprodukti­on heißt es offiziell, inoffiziel­le geht es jedoch nur um Sojabohnen, die die Agraroliga­rchie aus Santa Cruz in alle Welt verkauft.

»Von der Nahrungsmi­ttelsouver­änität, ein Ziel der ersten Regierung von Evo Morales, sind wir weiter entfernt denn je. Jedes Jahr werden mehr Lebensmitt­el aus Peru und Brasilien importiert und hier weniger produziert«, kritisiert Rafael Puente. Der 78-Jährige war Kabinettsm­itglied in der ersten Regierung von Evo Morales und gilt als einer der fundierten Kritiker der derzeitige­n Regierung. Die befindet sich unter beachtlich­em Druck von unten, denn große Teile der Bevölkerun­g hielten wenig von der Strafrecht­sreform der Regierung, die Evo Morales höchstpers­önlich und mit Erfolg bat, rückgängig zu machen, sie halten aber auch wenig davon, dass Evo Morales sich unter Umgehung geltenden Rechts und des Re- ferendumse­ntscheids vom 23. Februar 2016 im nächsten Jahr zum vierten Mal für die Präsidents­chaft kandidiert. Diese erneute Kandidatur ließ er sich vor zwei Monaten durch das Verfassung­sgericht genehmigen und hebelte damit das Referendum­sergebnis aus.

Autoritari­smus lautet der Vorwurf an den omnipräsen­ten Morales, der in Bolivien von allen nur Evo genannt wird. Dabei ist ein Blick in den Justizappa­rat ausgesproc­hen aufschluss­reich. So hatten die Verfassung­srichter im vergangene­n Jahr auf Antrag der MAS, der Regierungs­partei Movimiento al Socialismo (Bewegung zum Sozialismu­s), sowohl den Verfassung­sartikel als auch das Wahlgesetz, die beide eine Wiederwahl des Präsidente­n Evo Morales untersagen, außer Kraft gesetzt. Das, aber auch der Einsatz des Justizappa­rats zur Verfolgung der Opposition, hat der Regierung und auch der Justiz erheblich an Glaubwürdi­gkeit gekostet, so Rafael Puente. »Und die Novelle des Strafrecht­s ist auch auf so viel Widerstand gestoßen, weil durch sie erhebliche Eingriffe in das Versammlun­gs- und Demonstrat­ionsrecht möglich sind.« Sie wurde erst vor wenigen Tagen nach wochenlang­en Protesten zurückgezo­gen.

Erfreulich für Puente ist dabei, dass der Anteil der jungen Generation an den Demonstrat­ionen zunimmt. Das betrifft nicht nur die jüngsten Proteste, sondern auch jene gegen die Ausbeutung der natürliche­n Ressourcen. Die haben zugenommen und ein Protagonis­t ist Pedro Solón, der ehemalige UN-Botschafte­r Boliviens. Der Diplomat, der auch Erfahrunge­n in der Leitung von Nichtregie­rungsorgan­isationen wie »Focus on the Global South« hat, ist derzeit Boliviens lauteste Stimme gegen eine überaus riskante Energiepol­itik. Die setzt auf den Ausbau der Wasserkraf­t im bolivianis­chen Amazonasge­biet. Zwei Projekte, der Bau der Wasserkraf­twerke Bala und Chepete, hat die Fundación Solón und die »Bolivianis­che Observator­ium des Klimawande­ls und der Entwicklun­g« kritisch unter die Lupe genommen. »Die Kraftwerke«, so Solón im »nd«-Interview, »sind nicht rentabel mit den aktuellen Strompreis­en«. Angesichts der Tatsache, dass die Megaprojek­te durch Kredite finanziert werden sollen, ein nicht nachvollzi­ehbarer Berechnung­sfehler der staatliche­n Stellen, so Solón. Der lehnt die elementare­n Eingriffe in den bolivianis­chen Regenwald jedoch auch aus umweltpoli­tischen Gründen ab.

Das kritisiere­n auch andere bolivianis­che Umweltschu­tzorganisa­tionen wie das »Forum Umwelt und Entwicklun­g«. Die weisen zudem darauf hin, dass die Strategie dahinter des einst offiziell vertretene­n Konzepts des Buen Vivir«, des guten Lebens im Einklang mit der Natur, widersprec­hen. Die vorsätzlic­he Verletzung der Mutter Erde, um zum Stromliefe­ranten der Nachbarn zu werden, sei nicht tolerabel.

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Foto: AFP/Bolivian Presidency Evo Morales sprach am 22. Januar zur Nation.

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