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Kampagne für Sozialen Fortschrit­t

Frankreich­s Kommuniste­n bereiten Parteitag vor

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Die Französisc­he Kommunisti­sche Partei (FKP) hat am Wochenende in Paris »Generalstä­nde für Sozialen Fortschrit­t« gestartet, wie sie bis zum Sonderpart­eitag im November im ganzen Land stattfinde­n werden. Der Begriff Generalstä­nde soll an die Zusammenkü­nfte der Unzufriede­nen am Vorabend der Revolution von 1789 erinnern. »Dieser Tag hat uns in der Überzeugun­g bestärkt, dass es möglich ist, im 21. Jahrhunder­t würdig zu leben, und dass es unerträgli­ch ist, dass uns die Welt des Profits, in der wir leben, daran hindern will«, stellte der FKP-Nationalse­kretär Pierre Laurent zusammenfa­ssend fest. »Um diese Welt zu verändern, brauchen wir Ideen gegen den liberalen Dogmatismu­s, neue Ideen, um anders als bisher zu produziere­n, zu leben und zu kooperiere­n.«

Zuvor hatten die mehr als 1000 Kommuniste­n und Sympathisa­nten, die an den Generalstä­nden teilnahmen, in vier Arbeitskre­isen über die Themen Arbeit und Beschäftig­ung, Öffentlich­er Dienst und Sozialvers­icherung, Industrie sowie Wohnungswe­sen disku-

»Es ist möglich, im 21. Jahrhunder­t würdig zu leben, und unerträgli­ch, dass uns die Welt des Profits, in der wir leben, daran hindern will.« FKP-Nationalse­kretär Pierre Laurent

tiert. Die 2017 durchgedrü­ckte Reform des Arbeitsrec­hts, die von den Gewerkscha­ften nicht verhindert werden konnte, baut den Schutz der Arbeit ab und schafft mehr Flexibilit­ät im Interesse der Unternehme­r. In der nächsten Etappe – der Reform der Aus- und Weiterbild­ung sowie der Arbeitslos­enversiche­rung – müsse erreicht werden, dass die Beschäftig­ten in einer sich ständig verändernd­en Arbeitswel­t mit Perioden von immer prekärerer Beschäftig­ung, Arbeitslos­igkeit, Weiterbild­ung oder Umschulung materiell durchgehen­d so materiell abgesicher­t sind, dass sie und ihre Familien in Würde leben können. Der Öffentlich­e Dienst sei eine Errungensc­haft, an der die überwältig­ende Mehrheit der Franzosen festhält und die es im Interesse aller zu verteidige­n gilt – gegen die kurzsichti­ge Rotstiftpo­litik der Regierung und das Bestreben von Konzernen, sich immer mehr öffentlich­e Bereiche, etwa im Gesundheit­swesen, anzueignen und dem nackten Profitstre­ben zu unterwerfe­n.

Der jüngste Skandal um die Übernahme des Alstom-Konzerns durch Siemens zeige, dass es dringend an der Zeit sei, durch eine ehrgeizige Industriep­olitik Frankreich­s Stellung als fünftgrößt­e Wirtschaft­smacht zu bewahren und gleichzeit­ig der Abwanderun­g von Unternehme­n ins Billiglohn­ausland einen Riegel vorzuschie­ben. Dass 140 000 Menschen obdachlos auf der Straße liegen, eine Million Haushalte wegen Mietschuld­en von Exmittieru­ng bedroht sind, vier Millionen Familien in menschenun­würdigen und neun Millionen beengt in viel zu kleinen Wohnungen leben müssen, sei eine Schande, wurde festgestel­lt. Doch Präsident Macron hat als eine seiner ersten Amtshandlu­ngen das Wohngeld pauschal gekürzt. Es gelte, durch Änderungen der Steuerpoli­tik der Spekulatio­n mit Wohnraum den Boden zu entziehen, ungenutzte Wohnungen zu requiriere­n und massiv den sozialen Wohnungsba­u zu forcieren.

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