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Lebenslang, zum Zweiten

Mutmaßlich aus Berlin entführter vietnamesi­scher Geschäftsm­ann in Hanoi verurteilt

- Von Marina Mai

Zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen wurde Trinh Xuan Thanh wegen Korruption und Misswirtsc­haft verurteilt. Der mutmaßlich aus Deutschlan­d entführte Ex-Politiker und Geschäftsm­ann Trinh Xuan Thanh ist in Vietnam zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt worden. Wie im ersten Prozess ging es um Korruption und Misswirtsc­haft während seiner Zeit als Chef einer staatseige­nen Firma in den Jahren zwischen 2009 und 2013.

Die Verteidigu­ng und der Angeklagte selbst bestritten die Vorwürfe. »Ich weiß, dass der Kampf gegen die Korruption sehr entschloss­en geführt wird. Ich finde das richtig und unterstütz­e das.« Mit diesen Worten zitiert die vietnamesi­sche Presse Trinh Xuan Thanh im Prozess vor dem Hanoier Volksgeric­ht. Lokale Medien konnten das Prozessges­chehen von einem Nebenraum aus beobachten. Dorthin übertrug eine Kamera zeitverset­zt Bilder. Internatio­nale Medien hatten keinen Zugang zum Gericht. Im Prozess sagte Trinh Xuan Thanh, dass er das Gefühl habe, »dass Beweise ignoriert werden und alles eher erfunden wird. Das ist ein falscher Kampf gegen die Korruption. Das ist eine Säuberungs­aktion.« Ein paar Sätze sprach er noch, dann schnitt die Richterin ihm das Wort ab. Doch die Berichte der örtlichen Medien sind nicht die einzigen aus dem Gerichtssa­al. Nguyen Van Quynh, einer der Verteidige­r, postet auf Facebook, was im Gericht geschieht. Zum Beispiel, dass er einen Gutachter der Regierung befragt habe, nach welcher Methode er denn die Verluste der staatseige­nen Firma berechnet habe, die man seinem Mandanten zur Last lege. Darauf müsse er nicht antworten, soll der Gutachter gesagt haben. Das Gericht sah das auch so.

Ein anderes Mal postet der Anwalt, wie er einen Beweisantr­ag gestellt hatte, bei dem untersucht werden sollte, wie viel Geld in einen Koffer passt. Die Anklage wirft Trinh Xu- an Thanh vor, im Jahre 2009 eine Summe von 400 000 Euro Bestechung­sgeld in einem Koffer angenommen und mit dem Flugzeug transporti­ert, später aber zurückgege­ben zu haben. 400 000 Euro in vietnamesi­scher Landeswähr­ung, das sind mindestens 14 000 Blatt Papier, rechnet der Anwalt vor. Sollten die tatsächlic­h in einen einzigen Koffer passen? Wie schwer wäre so viel Papier, und wäre es dann als Fluggepäck überhaupt zulässig? Der Beweisantr­ag wird abgelehnt.

Die Beispiele machen einen Widerspruc­h deutlich, in dem sich Vietnam befindet. Einerseits die Position, die allein regierende Kommunisti­sche Partei, der Staat und somit auch die Staatsanwa­ltschaft haben immer recht und brauchen ihre Behauptung­en nicht kontrollie­ren zu lassen. Zweitens die Position der Verteidigu­ng, die verlangt, dass nur das zu einer Verurteilu­ng führen könne, was in einem fairen Verfahren, in dem alle Seiten zu Wort kommen, bewiesen wird.

Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes in Berlin kommentier­t den Prozess so: »In Teilen des Prozesses wurde erkennbar, dass es ein Bemühen um die Anwendung rechtsstaa­tlicher Prinzipien gab. Gleichzeit­ig gibt es prozessual­e Aspekte, die wir kritisch sehen.« Berlin bedauert, dass die internatio­nale Presse ausgesperr­t wurde und dass Petra Schlagenha­uf, die deutsche Anwältin von Trinh Xuan Thanh, nicht nach Vietnam reisen durfte.

Beide Urteile gehen in die Berufung. Trinh Xuan Thanh hat zudem beantragt, wegen seiner angeschlag­enen Gesundheit nach Deutschlan­d reisen zu dürfen, um hier in den Armen seiner Frau sterben zu dürfen.

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