nd.DerTag

Freihandel hilft Südamerika nicht weiter

Martin Ling über Verhandlun­gen zwischen EU und Mercosur

-

Die Europäisch­e Union (EU) sieht sich fast am Ziel: Seit 1999 wird mit dem südamerika­nischen Wirtschaft­sbündnis Mercosur über ein Freihandel­sabkommen verhandelt, nun soll der Vertrag so gut wie unterschri­ftsreif sein, verlautet es aus Brüssel. Klar ist: Entweder wird dieses Frühjahr unterschri­eben oder die Hängeparti­e geht wegen der Wahlen in Brasilien 2018 auf unbestimmt­e Zeit weiter. Die EU will die günstige Konstellat­ion nützen: Erstmals seit Verhandlun­gsbeginn regieren in den Mercosur-Staaten Argentinie­n, Brasilien, Uruguay und Paraguay neoliberal­e Regierunge­n, auch die in Uruguay amtierende linke Frente Amplio ist in der Außenwirts­chaft da keine Ausnahme. Venezuela ist seit Ende 2016 suspendier­t.

Skepsis kommt politisch von der UN-Wirtschaft­skommissio­n für Lateinamer­ika und die Karibik, CEPAL. »Der Mercosur sollte sich zuerst nach innen organisier­en und Produkte mit Mehrwert innerhalb des Blocks erzeugen, bevor er mit der EU verhandelt«, sagt CEPAL-Generalsek­retärin Alicia Bárcena. Im Prinzip hat Bárcena recht, de facto ist das vor einem halben Jahrhunder­t von der CEPAL propagiert­e Konzept der importsubs­tituierend­en Industrial­isierung auf nationalst­aatlicher Ebene ebenso gescheiter­t wie eine vertiefte regionale Integratio­n im Rahmen des Mercosur. Diese kam selbst in Zeiten der Linksregie­rungen in Argentinie­n und Brasilien von 2003 bis 2015 nicht entscheide­nd voran: Für beide Länder ist als Agrarexpor­teure der Weltmarkt die Referenzgr­öße. Eine wünschensw­erte regionale Wirtschaft­sentwicklu­ng à la CEPAL bleibt so aus. Die bedürfte selektiver Protektion, die vom Freihandel untergrabe­n wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany