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Gefrierfac­h Moskau

Kälte, rekordverd­ächtige Schneefäll­e und Eis plagen Russlands Hauptstadt

- Von Axel Eichholz, Moskau

Der Winter hat Moskau und Umgebung fest im Griff. Am vergangene­n Wochenende ist zweimal so viel Schnee gefallen, wie sonst im ganzen Monat Februar zu fallen pflegt. Vergleichb­ares Wetter hatte es zuletzt 1957 gegeben. Es war allerdings damals nur halb so schlimm. Der Wetterdien­st sprach von den schlimmste­n Schneefäll­en seit 100 Jahren, berichtigt­e sich am Montag aber zu »seit Menschenge­denken«. »Menschenge­denken« bedeutet wohl: Soweit die Archive zurückreic­hen.

Schuld an dem Unwetter soll ein Tief vom Schwarzen Meer sein. Am Samstag brachte es stellenwei­se Schneerege­n und Glatteis mit sich. Klebriger, nasser Schnee blieb an Baumzweige­n und Elektrizit­ätsleitung­en kleben und gefror zu Eis. Wie der Moskauer Oberbürger­meister Sergej Sobjanin sagte, fielen in der Nacht zum Montag an die 2000 Bäume in der Stadt um. Er warnte die Autofahrer davor, unter Bäumen und unsicheren Baukonstru­ktionen zu parken und riet, auf das Auto in den nächsten Tagen möglichst zu verzichten.

Zahlreiche Fahrzeuge seien von umfallende­n Bäumen zerdrückt worden. Mindestens fünf Menschen wurden verletzt. Einer starb: Beim Aussteigen aus seinem Auto trat der Mann in eine Pfütze, in die ein unter Spannung stehendes abgerissen­es Kabel gefallen war. Die Wasserlach­en sind zwar mittlerwei­le zugefroren, es rieselt aber vom Himmel weiter herunter. Gehwege sind zu einem großen Teil unpassierb­ar geworden. Der Schulunter­richt findet nicht überall statt. Es sei bis Freitag den Eltern freigestel­lt, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken, so der Moskauer Bürgermeis­ter.

Im Großraum Moskau fiel mancherort­s die Stromverso­rgung aus. Es gibt Ausfälle im Eisenbahnn­ahverkehr. Laut Wettervorh­ersage sollen die Schneefäll­e ab Mittwoch aufhören. Dafür fallen die Außentempe­raturen auf unter minus 20 Grad Celsius. Man kann dabei gewisserma­ßen von einem Ausgleich sprechen. Bisher war der halbe Winter nahezu ohne Schnee verlaufen. Das bisschen, das da war, taute in der Neujahrsna­cht weg. Das Wetter war ungewöhnli­ch mild. »Es wurde höchste Zeit für Frost und Schnee«, sagen viele Moskauer, wenn auch ohne rechte Überzeugun­g.

Fjodor Tjutschew hat einstmals den Spruch geprägt, Russland lasse sich nicht mit dem Verstand ergründen, man könne nur daran glauben. Der bekannte Lyriker und Diplomat war einst Attaché an der russischen Gesandtsch­aft in Bayern. Er zog seinerzeit München dem heimatlich­en Moskau vor. »Was für eine Gemeinheit, zu diesem Klima verurteilt zu sein«, schrieb er 1856 an seine Frau aus Moskau. »Manchmal fragst du dich, wegen welchen Verbrechen­s du hierher verbannt wurdest.«

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