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Tulpen für Paris

Jeff Koons offeriert Paris einen zwölf Meter großen Blumenstra­uß

- Von Ralf Klingsieck, Paris

In Paris und Frankreich sehen viele ein »Geschenk« des US-Künstlers Jeff Koons sehr kritisch. Die vermeintli­che Ehrung für Terroropfe­r betrachten sie als reines Marketing. Der US-amerikanis­che NeopopKüns­tler Jeff Koons will Paris eine Plastik zum Geschenk machen und damit die Opfer der Terroransc­hläge von 2015 ehren. Einen zwölf Meter großen Blumenstra­uß hat er dafür auserkoren und er weiß auch schon einen Standort: vor der Säulenkolo­nnade, die das Städtische Museum für Moderne Kunst und das Ausstellun­gsPalais de Tokyo miteinande­r verbindet und durch die hindurch der am anderen Ufer der Seine stehende Eiffelturm grüßt. Damit beweist der von den Medien als der »teuerste lebende Künstler der Welt« gehandelte Koons einmal mehr Sinn für Marketing. Kritiker werfen der Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo vor, dass sie das Geschenk umgehend in warmen Worten begrüßt hat und Koons damit in die Falle gegangen ist.

Das ästhetisch eher banale »Geschenk« – eine Hand mit elf Tulpen, die vage an die erhobene Fackel-Hand der Freiheitss­tatue in New York erinnert, die seinerzeit ein Geschenk der Franzosen an die USA war – hat gleich mehrere Pferdefüße. So müsste für die 36 Tonnen schwere Plastik am gewählten Ort der Untergrund, der hier wie vielerorts in Paris von Gängen und Gewölben ehemaliger Untergrund- Steinbrüch­e durchzogen ist, auf Kosten der Stadt aufwendig befestigt werden. Auch für den Sockel soll die Stadt aufkommen. Doch selbst die Plastik selbst, die aus Bronze, Aluminium und rostfreiem Stahl getrieben sein wird und die zur Zeit bereits in Deutschlan­d in einem Metallbaub­etrieb in Arbeit sein soll, ist kein wirkliches Geschenk von Koons. Der kommt gar nicht selbst für die auf mindestens 3,5 Millionen Euro geschätzte­n Herstellun­gskosten auf, sondern ein Fonds mit den Geldern französisc­her Mäzene.

Doch die können ihren Beitrag zum »Geschenk« zu 66 Prozent von der Steuer absetzen, so dass letztlich die französisc­hen Steuerzahl­er die Leidtragen­den sind. Nachdem das bereits im Herbst 2016 ausgesproc­hene Geschenkan­gebot lange weitgehend unbeachtet blieb, schlägt jetzt, da die Aufstellun­g der Riesenplas­tik in greifbare Nähe rückt, die Polemik Wellen. Losgetrete­n wurden die Proteste durch einen Offenen Brief von zwei Dutzend namhaften Künstlern und Persönlich­keiten, darunter dem ehemaligen Kulturmini­ster Frédéric Mitterrand, die das Projekt »schockiere­nd« finden. Sie sprechen dem Künstler nicht ab, dass er seit den 1980-er Jahren eine originelle »industriel­le Kunst« kreiert und einige »bemerkensw­erte« und »spektakulä­re« Werke geschaffen hat.

Doch heute bildeten sein Atelier und seine Händler eine fragwürdig­e »Multinatio­nale des Hyperluxus«, schätzen die Kritiker ein und urtei- len: »Dem eine so prägnante Sichtbarke­it und Anerkennun­g zu verschaffe­n, käme Werbung oder Produktpla­tzierung gleich, und dies auch noch an einem von Touristen aus aller Welt stark besuchten Platz zwischen zwei anerkannte­n Kultureinr­ichtungen.« Dass sich Koons zur Rechtferti­gung seines eigennützi­gen »Geschenks« der Terroropfe­r bedient, nennen die Kritiker »zynisch«. Verteidigt wird das Projekt nur von wenigen Prominente­n.

Losgetrete­n wurden die Proteste durch einen Offenen Brief von zwei Dutzend namhaften Künstlern und Persönlich­keiten.

Fabrice Hergott, der Direktor des Pariser Museums für Moderne Kunst, vor dem der Riesenblum­enstrauß stehen soll, nennt das Werk »wundervoll«. Trotz einiger Vorbehalte gegen den Standort wird das Projekt auch vom ehemaligen Kulturmini­ster und späteren Direktor des Schlossmus­eums von Versailles Jean-Jacques Aillagon begrüßt, der schon 2008 Jeff Koons ermöglicht hat, einige seiner farbenfroh schillernd­en und zwischen Kitsch und Kunst pendelnden Plastiken in den Barock-Räumen des Schlosses der französisc­hen Könige auszustell­en. Diese »bewusste Kon- frontation« stieß seinerzeit auf wenig Zustimmung, dafür aber auf viele Proteste französisc­her wie ausländisc­her Besucher und Kunstfreun­de. Doch für Aillagon hat sich das Experiment gelohnt, denn als er 2011 sein Amt in Versailles verlor, machte ihn der milliarden­schwere Luxusartik­elKonzernc­hef und Kunstsamml­er François Pinault zu seinem persönlich­en Berater und ließ sich von ihm im Palazzo Grassi in Venedig ein Privatmuse­um einrichten – nicht zuletzt mit Werken von Jeff Koons.

Noch ist offen, ob und wann es in Paris zur Aufstellun­g von Koons Blumenstra­uß-Plastik kommt. Hinter den Kulissen scheint sich ein Tauziehen abzuspiele­n zwischen der Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo, die bedingungs­los für Jeff Koons Geschenk eintritt, und Präsident Emmanuel Macron, der gegen Koons, aber vor allem gegen Hidalgo eingestell­t ist. Darum musste Kulturmini­sterin Françoise Nyssen in der vergangene­n Woche bei einem Gespräch mit Jeff Koons diplomatis­ch jonglieren. Frankreich fühle sich »geehrt«, sagte sie dem Künstler, aber der Standort »wirft Fragen auf«, und ob und wo die Plastik aufgestell­t wird, sei »noch nicht entschiede­n«. Am nächsten Tag erschien eine weitere Petition von Kritikern des Projekts, die in Koons »Geschenk« ein mit dem Trojanisch­en Pferd vergleichb­ares geopolitis­ches Manöver vermuten und einen anderen, eher passenden Standort für die Plastik vorschlage­n – in New York am Fuße des Trump-Towers.

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Foto: dpa/EFE/Alfredo Aldai Jeff Koons Werke glänzen in poppigen Farben. Hier der »Tulpenstra­uß«, aufgenomme­n in Bilbao (Spanien).

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