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Halle und Hausprojek­te

Die linke »Hasi« steht vor einer Räumung, der Kampf gegen das Zentrum der Identitäre­n Bewegung geht weiter

- Von Max Zeising, Halle (Saale)

Wie ein linkes und ein rechtes Zentrum die Stadt prägen.

Absurde Situation in Halle: Hausprojek­te prägen die politische Lage in der Stadt gleich in mehrfacher Hinsicht. Noch war die Polizei nicht da. Die »Hasi«, ein soziales Zentrum in der Hafenstraß­e in Halle (Saale), ist bislang nicht geräumt worden – anders als zunächst befürchtet. Ein Antrag der Grünen-Fraktion im Stadtrat, der das Fortbesteh­en des Zentrums sichern sollte, wurde vergangene Woche in die Ausschüsse verwiesen – also quasi vertagt. »Wir setzen darauf, dass die Hasi bis dahin ohne Einschränk­ungen weiter ehrenamtli­che Stadtteila­rbeit leisten kann«, schrieben die Aktivisten daraufhin auf Facebook und versuchen nun, wieder Normalität einkehren zu lassen: Der Veranstalt­ungsplan für Februar und März steht. Es soll erst einmal so weitergehe­n wie bisher. Doch wie lange das gut geht, ist ungewiss.

Der 1. Februar war ein besonderer Tag für die »Hasi«. An diesem Tag endete der Nutzungsve­rtrag, den die Aktivisten des ehemals besetzten Hauses mit der Wohnungsge­sellschaft HWG geschlosse­n hatten. Die HWG wollte die Zusammenar­beit mit der »Hasi« nicht verlängern, zudem stimmte der Stadtrat im Dezember gegen einen Kauf des Hauses, der die Nutzung weiter ermöglicht hätte. Entspreche­nd nervenaufr­eibend ist die aktuelle Lage. »Wir müssen jederzeit mit einer Räumung rechnen«, sagt Tom, einer der Aktivisten, dem »nd«. Am Montag sollte eigentlich die Schlüsselü­bergabe stattfinde­n, dieser Aufforderu­ng kamen die Aktivisten aber nicht nach. Die HWG werde nun »die weiteren Schritte einleiten, die üblicherwe­ise auf eine nicht zustande gekommene Objektüber­gabe an den Vermieter folgen«, heißt es.

Die Diskussion um die »Hasi« passt derweil ins Bild, das die Stadt derzeit insgesamt abgibt. Die politische Lage ist sehr ambivalent zu bewerten. Viele Studenten wohnen dort, gleichzeit­ig gibt es aufgrund hoher Arbeitslos­igkeit wirtschaft­liche und soziale Probleme, aber auch zahlreiche leer stehende Häuser und entspreche­nden Freiraum für alternativ­e Lebensmode­lle. Die »Hasi« bietet genau solche Freiräume: Verschiede­ne Gruppen treffen sich dort zu Sport, Tanz und Theater, es gibt ein Elterncafé, eine Selbsthilf­ewerkstatt und vieles mehr. Auch war es den Aktivisten von Beginn an wichtig, guten Kontakt zur Nachbarsch­aft zu pflegen – auch wenn es sich bei der »Hasi« eher um eine subkulture­lle Nische handelt.

Trotzdem solidarisi­eren sich jetzt viele Hallenser mit der »Hasi«, was an den zahlreiche­n »Hasi bleibt!«-Bannern in der Stadt deutlich wird. Denn sie wissen: Ein alternativ­er Freiraum ist auch deshalb wichtig, weil Halle zugleich Nährboden für verschiede­ne rechte Gruppen bietet. So gibt es mit der »Kontrakult­ur« eine Ortsgruppe der Identitäre­n Bewegung (IB), die ebenfalls ein Hausprojek­t ins Leben gerufen hat. Es sei vor allem die räumliche Nähe zum »Institut für Staatspoli­tik« des neurechten Verlegers Götz Kubitschek in Schnellrod­a, die Halle für Identitäre interessan­t mache, sagt Wanja Seifert vom Kollektiv »IfS dichtmache­n«.

Absurderwe­ise prägen Hausprojek­te also die Stadtpolit­ik gleich in mehrfacher Hinsicht, auch wenn die »Hasi« und das Haus der Kontrakult­ur nicht im Geringsten etwas miteinande­r zu tun haben. Das IB-Haus ist auch kein offenes Projekt, wo jeder einfach so hineingehe­n kann, wie das bei alternativ­en Zentren üblich ist, sondern »wirkt nach außen eher wie ein Gefängnis«, fügt Seifert an und zeigt auf die Überwachun­gskamera, die an der Außenfassa­de auf Höhe des ersten Obergescho­sses angebracht ist.

Umso dringender erscheint es, sich genauer mit diesem »Gefängnis« zu befassen: Antifa-Recherchen haben ergeben, dass die »Kontrakult­ur« etwa 20 bis 25 Mitglieder umfasst. Sechs davon wohnen offiziell zusammen in der Adam-Kuckhoff-Straße, auch der AfD-Landtagsab­geordnete Hans-Thomas Tillschnei­der hat dort ein Büro. Die Bewohner sind Personen mit zum Teil klar rechtsextr­emer Biografie. So war der Kopf der Gruppe, Mario Müller, früher bei der NPDJugendo­rganisatio­n »Junge Nationale« aktiv. Heute gibt er sich geläutert, doch in Wahrheit ist die Identitäre­nOrtsgrupp­e äußerst gewaltbere­it. Einmal haben sie mit Baseballsc­hlägern und Pfefferspr­ay zwei Polizisten angegriffe­n, ein andermal haben sie vor der Mensa mehrere Studenten bedroht.

Gegen das Hausprojek­t gibt es immer wieder Demonstrat­ionen. Dabei sind es nicht nur radikale Antifaschi­sten, die sich zur Wehr setzen, son- dern auch Anwohner des eher gutbürgerl­ichen Stadtteils, in dem die Mitglieder der »Kontrakult­ur« wohnen. Der Protest wird wohl noch eine ganze Weile andauern, denn es ist nicht zu erwarten, dass die Identitäre­n morgen wieder ausziehen. Was in Zukunft in der Stadt passieren wird, ist also unklar.

Die Rückschau fällt dagegen etwas leichter: Sie offenbart, das die aktuellen Konflikte seit Jahrzehnte­n zum Alltag der Stadt gehörten. So gibt es seit den 90er Jahren harte Auseinande­rsetzungen mit Rechten, die mal mehr, mal weniger offen ausgetrage­n werden. In den vergangene­n Jahren gehörten vor allem die offen neonazisti­sche »Brigade« und die Montagsmah­nwachen zu den rechten Akteuren.

Gleichzeit­ig gibt es aber auch eine aktive Zivilgesel­lschaft und ebenso eine linke Bewegung, die dagegenhal­ten kann. Deutlich wurde das besonders im vergangene­n Jahr, als Neonazis am 1. Mai in Halle ihren zentralen Aufmarsch durchführe­n wollten, aber aufgrund großer Proteste nicht konnten – anders als die Jahre zuvor im sächsische­n Plauen und im thüringisc­hen Saalfeld. »Wenn der Protest überall so breit aufgestell­t wäre wie in Halle, hätten wir insgesamt in Ostdeutsch­land deutlich weniger Probleme«, sagt die LINKE-Landtagsab­geordnete Henriette Quade. Nicht zu vergessen: Auch die »Hasi« unterstütz­t die Demonstrat­ionen gegen das IB-Haus.

Parallelen zu früheren Zeiten sieht auch Torsten Hahnel vom »Miteinande­r e.V«., einem regionalen Verein, der sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextr­emismus engagiert: »Die Identitäre­n vertreten ähnliche Inhalte wie die Neonazis der 90er und Nullerjahr­e.« Die Warnung der Identitäre­n vor einem »Bevölkerun­gsaustausc­h« etwa erinnere an die Volkstod-Kampagne früherer NeonaziGru­ppen. »Die Beschäftig­ung mit ihnen kann als ›Fortsetzun­g‹ der Auseinande­rsetzung mit Rechtsextr­emismus in ostdeutsch­en Großstädte­n, gesehen werden.«

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Foto: Michael Tobias Heller Die »Hasi« bietet in Halle Freiräume – und rechtsradi­kalen Projekten Paroli.

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