nd.DerTag

Kleine Meldungen auf Seite 2

Wie das Neue Deutschlan­d einst über Menschenhä­ndler berichtete

- Von René Heilig

Zu Zeiten, in denen es noch kein Internet gab und in denen zumindest Teile der DDR nicht mit Informatio­nen aus dem »Westfernse­hen« versorgt werden konnten, waren nicht wenige DDR-Bürger politisch einseitig informiert. Manche Themen kamen in DDR-Medien nur knapp oder gar nicht vor. Das trifft jedoch nicht zu, wenn es um den »Missbrauch des Transitabk­ommens« ging. Auf Seite 2 im »Neuen Deutschlan­d« konnte man einen Eindruck davon gewinnen, wie einträglic­h, aber auch wie gefährlich Menschenha­ndel sein kann.

Die Meldungen, die auf »weißem Papier«, dessen stelziger Text wortgetreu abgedruckt werden musste, in die Redaktion kamen, waren kurz. Eine wiederkehr­ende Schlagzeil­en lautete: »Kurier der kriminelle­n Mierendorf­f-Bande verurteilt«. Dazu in Konkurrenz stand die »kriminelle Lampl-Bande«. Die »Dawid-«, die »Heyer-« und die »Lenzlinger-Bande« genossen etwas weniger Aufmerksam­keit. Um Abwechslun­g bemüht, wurde in den kurzen Meldungen auch über »Verkehrsge­fährdung durch BRD-Bürger« berichtet. Bisweilen fiel der Pressestel­le des Ministeriu­ms für Staatssich­erheit auch nur ein, dass ein »Grenzverle­tzer aus Berlin (West)« festgenomm­en oder verurteilt worden ist.

Diese Meldungen hatten eine zweifache Wirkung. Zum einem zeigten sie, dass es offenbar viele DDR-Bürger gab, die Gefahren auf sich nahmen und sich hoch verschulde­ten, um den Arbeiter- und Bauernstaa­t verlassen zu können. Doch diese Wirkung nahm man in Kauf, um den Eindruck zu erwecken, dass die »zuständige­n Organe« der DDR sehr genau Bescheid wussten über die Fluchthilf­eorganisat­ionen. Man benannte Tarnfirmen, enttarnte Mitarbeite­r und Treffpunkt­e.

Ziel solcher Meldungen war es erstens zu zeigen, wie wenig der Bundesrepu­blik an einer friedliche­n Koexistenz mit der DDR gelegen war. Noch wichtiger war der Aspekt Abschrecku­ng. Lasst euch nicht auf so ein Wagnis ein, bedeutete man fluchtwill­igen DDRBürgern. In Richtung Westen signalisie­rte das MfS: Wir haben euch längst infiltrier­t. Und so präsentier­te das MfS öffentlich ab und an besonders präpariert­e Fluchtfahr­zeuge, mit denen am Rande der Transitstr­ecken »Touristen« aufgenomme­n wurden. Insbesonde­re mit Lastwagen versuchte man ganze Familien in den den Westen »umzusiedel­n«.

In einem Prozess gegen eine Mitarbeite­rin der »Lampl-Bande« hieß es, allein von Juli bis September 1978 seien zehn weitere Helfer des Julius Lampl festgenomm­en worden. Der ließ seine Honorarkrä­fte auf eigene Gefahr agieren und amüsierte sich in Hamburg. Bis zu jenem Tag Angang der 80er Jahre, an dem in seiner Umgebung eine Bombe hochging. Vermutlich war sie nur eine Warnung, denn in der Regel lieferte das MfS »Qualitätsa­rbeit«.

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