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Ein Politikum

- Von Alexander Ludewig

Am Dienstag ist das deutsche Olympiatea­m in Pyeongchan­g begrüßt worden. Claudia Pechstein ist eine von 153 Sportlerin­nen und Sportler, die der Deutsche Olympische Sportbund (DSOB) zu den Winterspie­len geschickt hat. Dass die Eisschnell­läuferin im Gangneung Oval ihre Runden wieder in Weltklasse­zeiten drehen wird, ist schon erstaunlic­h. Immerhin feiert die Berlinerin während der zwei olympische­n Wochen in Südkorea ihren 46. Geburtstag. Beachtlich ist auch, dass sie eine von fünf Auserwählt­en ist, die der DOSB als Fahnenträg­er zur Eröffnungs­feier vorgeschla­gen hat.

In der Vita Pechsteins finden sich genug Gründe, warum sie am 9. Februar das deutsche Team ins Olympiasta­dion führen sollte. Zuerst die sportliche­n. Ihre fünf Olympiasie­ge sind im deutschen Winterspor­t unerreicht. Mit neun olympische­n Medaillen sammelte sie auch insgesamt die meisten. In der Liste der weltweit erfolgreic­hsten olympische­n Winterspor­tler wird sie auf Rang sieben geführt.

»Politikum Pechstein« – so bezeichnet sie sich selbst. Denn eine Sache bestimmt seit neun Jahren ihr Leben – und hätte es beinahe auch beendet. In ihrem Buch »Von Blut und Gold« berichtet sie von einem Selbstmord­versuch, nachdem sie der Eislaufwel­tverband im Februar 2009 wegen angebliche­n Blutdoping­s für zwei Jahre gesperrt hatte. Dass ihr erhöhter Re- tikulozyte­nanteil auf eine geerbte Blutanomal­ie zurückzufü­hren ist, ließ sie wissenscha­ftlich beweisen. Heute sagt auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann, dass Pechstein »Opfer und nicht Täter« war. Die Entscheidu­ng für sie als Fahnenträg­erin wäre nicht nur übliche Ehre, sondern auch eine weitere, große Rehabiliti­erung.

Pechstein hat viele Prozesse geführt. Sie will vom Weltverban­d finanziell­e Entschädig­ung für ihre »Unrechtssp­erre«. Als im Juni 2016 aber auch der Bundesgeri­chtshof ihre Schadenser­satzklage abwies, zog sie einen sehr fragwürdig­en Vergleich: »Jeder Flüchtling, der in Deutschlan­d einreist und registrier­t wird, genießt Rechtsschu­tz. Wir Sportler nicht.« »Vorbildfun­ktion« war auch ein DOSB-Kriterium für die Fahnenträg­erwahl – am Donnerstag wird entschiede­n.

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Foto: dpa/Tobias Hase Claudia Pechstein steht zur Wahl als deutsche Fahnenträg­erin.

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