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Dealende Nazis

In Aachen steht eine Gruppe von Drogenhänd­lern aus der rechten Szene vor Gericht

- Von Sebastian Weiermann

In Aachen startete am Dienstag ein Prozess gegen fünf Neonazis, die im großen Stil Drogen im »Darknet« gehandelt haben sollen. Bei den Rechten handelt es sich zum Teil um jahrelange Kader der Nazi-Szene. Was sich am 31. Mai 2017 im Aachener Stadtteil Brand abgespielt hat, klingt wie das Ende eines Gangsterfi­lmes. Schwer bewaffnete Polizisten eines Sondereins­atzkommand­os stürmen eine Wohnung. Sie soll das Hauptquart­ier einer Bande von Drogenhänd­lern sein. Die Polizeibea­mten finden mehrere Kilogramm Amphetamin, ein Kilogramm Marihuana und über 600 Ecstasy-Pillen. Als der 35jährige Timm M. abgeführt wird, kann er fotografie­rt werden. Er trägt ein TShirt der bei rechten beliebten Mode- marke Thor Steinar, der Aufdruck: »Hausbesuch­e – TS Jagdkomman­do«, plus bewaffnete Gestalten, die an ein Sondereins­atzkommand­o erinnern. Mehr Ironie geht kaum.

Dass Timm M. ein solches T-Shirt mit martialisc­hem Aufdruck trägt, ist kein Zufall. M. ist der älteste Sohn des Neonazi-Kaders Christian M. und selbst seit vielen Jahren in die neonazisti­sche Szene im Aachener Raum eingebunde­n. Der Vater von Timm M. ist seit 1980 in der extremen Rechten aktiv, war Mitglied der NSDAP/AO und von Michael Kühnens »Gesinnungs­gemeinscha­ft der Neuen Front«, er gehörte zu den maßgeblich­en Organisato­ren von zahlreiche­n NeonaziAuf­märschen in den letzten Jahrzehnte­n. Heute ist er schwer krank und kaum noch in der Öffentlich­keit präsent. Allerdings sind seine drei Söhne in seine Fußstapfen getreten. Timm M. handelte nicht nur mit Drogen, sondern war auch maßgeblich­er Aktivist der 2012 verbotenen »Kameradsch­aft Aachener Land«, als Neonazi-Rapper »Nordic Walker« machte er sich einen Namen. Mit ihm auf der Anklageban­k sitzt auch sein Bruder Karl. Laut Anklagesch­rift war Karl für die Logistik und die Pflege des Online-Shops im sogenannte­n Darknet verantwort­lich. Timm M. soll das Amphetamin für die Bande hergestell­t haben. Die anderen drei Angeklagte­n sollen bei der Verpackung und Verschicku­ng der Betäubungs­mittel mitgeholfe­n haben.

Viel passiert nicht am ersten Prozesstag im Aachener Landgerich­t. Die Angeklagte­n wollen sich weder zur Person noch zur Sache äußern. Zwei Befangenhe­itsanträge stellen ihre Verteidige­r. Sie sind unzufriede­n, dass nur eine psychologi­sche Gutachteri­n alle fünf Angeklagte­n begutachte­n soll. Das könne nicht angehen. Ein weiterer Befangenhe­itsantrag wird vom Verteidige­r des Angeklagte­n Steffen P. gestellt. P. ist der einzige Angeklagte, der nicht mehr in Untersuchu­ngshaft sitzt. Seine Tatbeteili­gung ist strittig. Nur für einige Monate soll er in der Zentrale der Bande gewohnt haben.

Auch bei Steffen P. handelt es sich um eine illustre Person. Seit Ende der 1990er Jahre ist er in der Neonazi-Szene aktiv. Er gehörte zu den führenden Köpfen bei den »Autonomen Nationalis­ten« und hat europaweit beste Verbindung­en, unter anderem nach Tschechien und Italien. In den letzten Jahren war Steffen P. komplett aus der Öffentlich­keit verschwund­en. Gerüchte über Streit in der Szene und einen Wegzug ins Ausland machten die Runde. Gelandet ist P. schließlic­h im thüringisc­hen Sangerhaus­en. Sein Verteidige­r kündigte an, dass er im Prozess Aussagen werde, wenn der Befangenhe­itsantrag geklärt sei. P. und sein Verteidige­r befürchten, dass er nur auf der Anklageban­k sitzt, um das »Konstrukt« einer Nazi-Bande aufrechtzu­erhalten.

Wenig Solidaritä­t erfahren die Angeklagte­n aus der neonazisti­schen Bewegung. Nur ein offensicht­lich Rechter beobachtet­e den Prozessauf­takt. Ob die Neonazi-Szene von den geschätzte­n 300 000 Euro, die die Bande verdient haben soll, profitiert­e, wird wohl nicht Thema im Verfahren sein.

Wenig Solidaritä­t erfahren die Angeklagte­n aus der neonazisti­schen Bewegung.

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