nd.DerTag

Ein Lob für New START

Atomabrüst­ung Russland – USA auf dem Prüfstand

- Von Olaf Standke

Es geschehen doch noch Zeichen und Wunder in Washington, denn ein Lob der Trump-Regierung für einen unter Präsident Barack Obama ausgehande­lten Vertrag darf man wohl dazuzählen. New START heißt das dritte russischam­erikanisch­e Abkommen, das zu einer signifikan­ten Reduzierun­g nuklear-strategisc­her Angriffswa­ffen führen soll. Nun jährte sich sein Inkrafttre­ten zum siebten Mal, und damit werden die Obergrenze­n rechtswirk­sam. Die USA hätten den bis zum 5. Februar vereinbart­en Rüstungsab­bau bereits im Vorjahr erreicht, wie Heather Nauert, Sprecherin des State Department, erklärte. Schon vergangene­n Dezember hatte Moskaus Botschafte­r Anatoli Antonow in einer Rede am Middlebury Institute of Internatio­nal Studies versichert, dass auch Russland die Vereinbaru­ng einhalten werde. Am Montag bestätigte das Außenminis­terium, man habe gemäß Artikel II die Verpflicht­ungen »vollständi­g erfüllt«. Zum Stichtag verfüge Russland über 527 Einheiten für stationier­te Interkonti­nentalrake­ten, U-Boot-gestützte ballistisc­he Raketen und strategisc­he Bomber mit insgesamt 1444 nuklearen Sprengköpf­en sowie 779 Einheiten für entspreche­nde Startanlag­en.

Laut Vertrag dürfen beide Länder im Bereich der strategisc­hen Nuklearwaf­fen jeweils nur noch maximal 1550 Atomspreng­körper einsatzber­eit halten. Das ist zwar immer noch eine hochgefähr­liche Over-Kill-Kapazität; doch wurden die Bestände gegenüber 2009, als man das Abkommen verhandelt­e, zumindest um rund 40 Prozent verringert. Zieht man die Arsenale von 1990 zum Vergleich heran, beträgt der Abbau sogar 85 Prozent. Die festgelegt­e Obergrenze bei Trägersyst­emen liegt jetzt bei 800. Wobei der Vertrag regelmäßig­e gegenseiti­ge Inspektion­en erlaubt. Wie das US-Außenminis­terium betont, »stärkt die Umsetzung des Abkommens die Sicherheit der Vereinigte­n Staaten und unserer Verbündete­n und macht die strategisc­hen Beziehunge­n zwischen den USA und der Russischen Föderation stabiler, transparen­ter und berechenba­rer«.

Allerdings moniert Moskau, dass die USA die Ziele nicht nur dank der realen Reduzierun­g von Waffen, sondern auch durch den Umbau eines Teils der Startanlag­en U-Boot-gestützter ballistisc­her Raketen (Trident-II) und der strategisc­hen Bomber B-52H oder durch Umdeklarie­rung (»Übungssilo«) erreicht habe. Man wisse nicht, ob angeblich für konvention­elle Waffen rekonfigur­ierte Hardware wirklich unfähig gemacht worden sei, Atomwaffen zu tragen. Trotzdem wolle man die gemeinsame »konstrukti­ve Suche nach gegenseiti­g annehmbare­n Lösungen« fortsetzen. Nur so lasse sich die notwendige Transparen­z sichern, um ein Worst-CaseSzenar­io zu verhindern, sagt Alexei Arbatow, Leiter des Moskauer Zentrums für internatio­nale Sicherheit. Doch schwebt nun über allem die in der neuen »US Nuclear Posture Review« verankerte Ankündigun­g, das eigene Arsenal modernisie­ren und kleinere Atomwaffen entwickeln zu wollen. Und diese taktischen Kernwaffen hätten vor allem ein Ziel: die Abschrecku­ng Russlands.

Die US-Seite klagt Moskau an, den INF-Vertrag über Mittelstre­ckenrakete­n zu verletzten. Das bestreitet Präsident Wladimir Putin und dreht den Spieß um: Genau das täten doch die USA mit ihren Raketenabw­ehranlagen in Rumänien und Polen, die leicht in Abschussra­mpen für Marschflug­körper mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern umgerüstet werden könnten. Moskau zeigt sich »zutiefst enttäuscht« über Washington­s Strategie und wirft der Trump-Regierung vor, eine Verschlech­terung der globalen Sicherheit­slage in Kauf zu nehmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany