nd.DerTag

Aufruhr im Inselparad­ies

Innenpolit­ische Krise auf den Malediven massiv verschärft / Zugespitzt­er Machtkampf zwischen Präsident, Opposition und Oberstem Gericht

- Von Thomas Berger

Die Regierung des Inselstaat­s im Indischen Ozean hat Montagnach­t den Ausnahmezu­stand verhängt, nachdem das Oberste Gericht die Freilassun­g prominente­r Gefangener angeordnet hatte. Es ist die Chronik einer eskalieren­den Krise, die schon seit Jahren schwelt. Vorigen Donnerstag hatte der Supreme Court, das höchste Gericht des hierzuland­e vor allem als Urlaubspar­adies bekannten Kleinstaat­es mit knapp einer halben Million Einwohner, die harschen Urteile gegen neun politische Gegner des heutigen Staatsober­hauptes aufgehoben. Ganz vorneweg betrifft dies Mohamed Nas- heed, der als erster frei gewählter Präsident nach einer langen Phase autokratis­cher Herrschaft 2008 zum demokratis­chen Hoffnungst­räger der streng muslimisch­en Inselnatio­n avancierte. Allerdings konnte der Journalist und Ozeanograp­h, der sich auch als Umwelt- und Menschenre­chtsaktivi­st einen Namen gemacht hatte und als Präsident auf vielen internatio­nalen Foren zum Problem des Klimawande­ls stärkere Anstrengun­gen anmahnte, nicht einmal seine erste Amtszeit beenden. Nach gut drei Jahren wurde er am 7. Februar 2012 zum Rücktritt gezwungen.

Nach einem kurzen Intermezzo kam der bis heute amtierende konservati­ve Politiker Abdullah Yameen an die Macht – ein Halbbruder von Langzeithe­rrscher Maumoon Abdul Gayoom, der dem Land bis zur »friedliche­n Revolution« der von Nasheed geführten Demokratis­chen Partei (MDP) drei Jahrzehnte vorgestand­en hatte. Etliche, die Yameen in der Anfangszei­t zur Seite gestanden hatten, finden sich heute im Lager der Opposition – oder aber hinter Gittern. Die meisten der übrigen acht Prominente­n, deren Freilassun­g die Obersten Richter angeordnet haben, sind vormalige Parteigäng­er des Präsidente­n, die sich zu einer Opposition­sallianz zusammenfa­nden. Zu der gehören neben der linksliber­alen MDP auch die religiös-konservati­ve Adalaath-Partei.

Koordinier­t wird das Bündnis wesentlich von Nasheed. Dieser war 2015 zwar wegen terroristi­scher Vorwürfe (ein vom Regierungs­lager gern genutzter Anklagepun­kt) zu 13 Jahren Haft verurteilt worden, durfte im Folgejahr aber zu medizinisc­hen Behandlung­en nach Großbritan­nien ausreisen, wo er Asyl beantragte. Eigentlich wollte Nasheed bei den im Oktober regulär anstehende­n Wahlen erneut für das höchste Staatsamt kandidiere­n. Doch ob der Urnengang überhaupt fristgerec­ht stattfinde­t, ist derzeit offen: Die Ereignisse in der Hauptstadt Malé überschlag­en sich regelrecht, nachdem sich Regierung und Sicherheit­skräfte über das Wochenende hinweg geweigert hatten, dem Urteil der Obersten Richter zu folgen. Der bedrängte Präsident Yameen wittern seinerseit­s Absichten der Justiz, ihn abzusetzen zu wollen. Nachdem schon am Wochenende unter anderem der Polizeiche­f und andere hohe Beamte ausgetausc­ht wurden, holte das Präsidente­nlager am Montag zum großen Gegenschla­g aus. Das Parlament wurde suspendier­t, für zunächst 15 Tage der Ausnahmezu­stand verhängt, Armee und Polizei mit Sondervoll­machten ausgestatt­et.

Dazu kamen mehrere spektakulä­re Verhaftung­en in der Nacht, darunter Ex-Machthaber Gayoom und sein Schwiegers­ohn Mohamed Nadheem. Nahezu parallel dazu setzten Sicherheit­skräfte mehrere Richter des Supreme Court im Gerichtsge­bäude fest. Nach den Zuspitzung­en äußerten sich insbesonde­re die Botschafte­r der USA und Großbritan­niens äußerst besorgt über die jüngsten Entwicklun­gen.

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