nd.DerTag

Kein Grund sich zurückzule­hnen

- Johanna Treblin über den Rückgang rechter Aufmärsche

Es klingt nach einer positiven Nachricht: Die Zahl rechter Aufmärsche in Berlin ist gesunken. Dazu muss man aber wissen: Das »antifaschi­stische pressearch­iv und bildungsze­ntrum« (apabiz) hat mit der Zählung erst begonnen, als die rechten, asylfeindl­ichen Straßenpro­teste 2015 in die Höhe geschnellt waren. Mit wehenden Deutschlan­dfahnen und begleitet von Transparen­ten der NPD protestier­ten vor allem in Marzahn-Hellersdor­f sogenannte besorgte Anwohner gegen die Eröffnung von Flüchtling­sheimen. Inmitten von Plattenbau­siedlungen störte es sie unter anderem, dass sie künftig auf weiße Wohncontai­ner blicken sollten.

Dass 2017 120 rechte und asylfeindl­iche Aufmärsche gezählt wurden, ist also ein Rückgang gegenüber 2015. Blickt man aber nur ein weiteres Jahr zurück, ist es ein immenser Anstieg.

Etwas erleichter­nd wirkt da, dass die meisten Proteste auf sehr geringes Interesse stoßen und kaum Öffentlich­keit erzeugen. Fast die Hälfte der gezählten Veranstalt­ungen geht auf die Bärgida-Spaziergän­ge zurück, die sich trotz geringer Teilnehmer­zahl hartnäckig halten. Ein knappes Drittel der Aufmärsche fällt auf die wöchentlic­he »Merkel muss weg«-Kundgebung vor dem Bundestag, von deren Existenz jedoch kaum jemand weiß.

Dass hier trotzdem kein »Zurücklehn­en und Däumchen drehen« angesagt ist, zeigt beispielsw­eise der Heß-Marsch. Anlass für den Aufmarsch im vergangene­n Jahr in Spandau war der 30. Todestag des Hitler-Stellvertr­eters. Nun wollen Neonazis auch 2018 den Tag wieder in Berlin begehen. Damit versuchen sie, den vor mehr als zehn Jahren in Wunsiedel verbotenen jährlichen Aufmarsch wiederzube­leben – dieses Mal in der Hauptstadt, wo ihnen eine höhere Aufmerksam­keit garantiert ist. Das darf nicht passieren. Dieses Mal muss der Marsch verboten werden.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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