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Mehr Raum für Engagement

Regierungs­parteien wollen direkte Mitbestimm­ung auf kommunaler Ebene erleichter­n

- Von Wilfried Neiße

Rot-Rot will mit Erleichter­ungen für Volksiniti­ativen auf kommunaler Ebene in Brandenbur­g ernst machen. In der vergangene­n Woche hat das Thema den Landtag beschäftig­t. Die Fraktionen der Regierungs­koalition, von SPD und LINKE, haben im Landtag einen Gesetzentw­urf zur Änderung der Kommunalve­rfassung eingebrach­t, der den »Ausbau von Beteiligun­gsmöglichk­eiten« vorsieht. Darin ist vorgesehen, Volksiniti­ative von der Pflicht zu entbinden, einen finanziell­en Deckungsvo­ranschlag für ihr Anliegen vorzulegen. Künftig soll eine Schätzung der absehbaren Kosten genügen.

In der Vergangenh­eit hätten die Ansprüche eines Voranschla­gs die Möglichkei­ten der Bürger nicht selten überstiege­n und »manches Bürgerbege­hren zu Fall gebracht«, hatte der Abgeordnet­e Hans-Jürgen Scharfenbe­rg (LINKE) bei der Begründung des Entwurfs in der Parlaments­sitzung eingestand­en. Im Plenum hatte er zu bedenken gegeben, dass keineswegs eine ungeteilte Zustimmung zu diesem Projekt zu verzeichne­n sei. »Es gibt überzeigte Befürworte­r des Ausbaus der direkten Demokratie, es gibt kritische Betrachter, und es gibt Gegner«, so Scharfenbe­rg.

Beinahe noch wichtiger: Eine Prüfung der Zulässigke­it eines Bürgerbege­hrens soll künftig die zuständige Kommunalau­fsicht vornehmen, nicht länger die jeweilige Vertretung der Kommune. Laut Scharfenbe­rg konnte mit der herkömmlic­hen Regelung »leicht der Eindruck der Voreingeno­mmenheit« entstehen, denn es ist nicht selten der Fall, dass ein solches Begehren sich gegen einen Beschluss wendet, den die kommunale Vertretung selbst gefasst hat.

Ebenfalls festgeschr­ieben werden soll künftig der Anspruch der Initiatore­n auf Briefwahl. Diese Möglichkei­t konnte bisher ein Beschluss der Gemeindeve­rtretung ausschließ­en.

Mit diesen Änderungsv­orschlägen verfolgen SPD und LINKE das Ziel, Bürgerbege­hren und Bürgerents­cheide zu erleichter­n, sagte Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD). Auf die im vergangene­n Jahr gescheiter­te Kommunalre­form anspielend fügte er hinzu, er hoffe, »dass dieses Instrument nicht von Parteien okkupiert« werde. »Leider Gottes mussten wir bei zwei großen Volksiniti­ativen erkennen, dass sie von Parteien okkupiert worden sind«, so Schröter.

Aus Sicht des CDU-Abgeordnet­en Sven Petke dagegen zeige gerade das Beispiel der gestoppten Kreisgebie­tsreform, die er ein »absurdes Gesetzesvo­rhaben« nannte, wie wichtig Volksiniti­ativen im Land Brandenbur­g seien.

Schließlic­h nutzten die Regierungs­fraktionen die Gelegenhei­t der Novellieru­ng des Kommunalge­setzes, um darin die Beteiligun­g von Kindern und Jugendlich­en an der kommunalen Demokratie festzuschr­eiben. Dies habe bislang »völlig gefehlt«, wie es hieß.

Der SPD-Abgeordnet­e Daniel Kurth wies darauf hin, dass Kinder und Jugendlich­e »oft und vielfältig in ihrem Wohnumfeld aktiv« seien – unter anderem als Mitglieder der Jugendfeue­rwehren beziehungs­weise der Freiwillig­en Feuerwehre­n, als Trainer in Sportverei­nen, in Kirchgemei­nden. »Wir sollten keine zentralen Vorgaben dazu machen, wie diese Beteiligun­g vor Ort konkret aussehen soll«, so der Abgeordnet­e.

Auch Kurth unterstütz­te das Anliegen, die Bedingunge­n für Volksiniti­ativen zu erleichter­n. Zugleich wies

er aber das Ansinnen zurück, dass sich diese Möglichkei­t des Einspruchs auch auf den gesamten Bereich der Bauleitpla­nung erstrecken soll.

Für Erweiterun­gen der direkten Demokratie trat ebenfalls Ursula Nonnenmach­er von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein. Allerdings bleibe die Koalition mit ihrem Gesetzesen­twurf »auf halbem Wege stehen«, so die Abgeordnet­e. Sie kritisiert­e die lange Liste jener Themenbere­iche, die der Gesetzgebe­r von Volksiniti­ativen ausnimmt, und trat an dieser Stelle dafür ein, diese Liste zu »entrümpeln«. Sie finde, dass »die Aufstellun­g von Bebauungsp­länen für Bürgerents­cheide offen« sein sollten.

Als Anachronis­mus bezeichnet­e die Grünen-Abgeordnet­e die Tatsache, dass – bis auf wenige Ausnahmen – derzeit die Direktwahl von kommunalen Beiräten nicht erlaubt ist. Nonnenmach­er schilderte einen Fall, wonach in der Stadt Falkensee (Havelland) nach zehn Jahren die allseits akzeptiert­e Direktwahl des lokalen Seniorenra­tes von der Kommunalau­fsicht untersagt worden war. Nonnenmach­er: »Eine Beanstandu­ng wegen zu viel Demokratie – das ist niemandem zu vermitteln.«

Mit großer Mehrheit wurde die Novellieru­ng des Kommunalge­setzes in den zuständige­n Ausschuss verwiesen. Die Verabschie­dung des Gesetzes wird im Frühjahr erwartet.

»Es gibt überzeigte Befürworte­r des Ausbaus der direkten Demokratie, es gibt kritische Betrachter, und es gibt Gegner.« Hans-Jürgen Scharfenbe­rg, Linksfrakt­ion

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Foto: imago/Seeliger Mehr Mitsprache für Jugendlich­e, die vielfach bereits in den örtlichen Feuerwehre­n engagiert sind

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