nd.DerTag

Kein Persilsche­in für den Gigaliner

Deutlich weniger Lang-Lkw als erwartet in Brandenbur­g unterwegs – ihr Einsatz bleibt umstritten

- Von Manfred Rey

Ein Jahr sind die extralange­n Sattelschl­epper im Einsatz. Ob sie aber Klima und Umwelt eher be- oder entlasten, wirtschaft­lich sinnvoll sind oder vor allem dem Schienenve­rkehr schaden, ist noch nicht klar. Vor gut einem Jahr war Burghard Fromm optimistis­ch, dass bald auch in seiner Spedition einer der über 25 Meter langen Riesenlast­er fährt. Alles war durchgerec­hnet, die Straßenver­bindung zur Autobahn genehmigt – doch die Aufträge blieben aus. »Die Umstellung der Logistik auf das größere Ladevolume­n ist für unsere Kunden ein zu großer Aufwand, da macht keiner mit«, sagt der Chef der 50-MannFirma in Oranienbur­g (Oberhavel).

Der 2012 in sieben Bundesländ­ern begonnene Feldversuc­h der bis zu 44 Tonnen schweren und bis zu 25,25 Meter langen Trucks wird seit 2017 als Regelbetri­eb fortgeführ­t. Zu dieser Zeit hatten sich für das bis dahin auf 11 600 Kilometer ausgewachs­ene sogenannte Positivnet­z bundesweit 60 Speditione­n mit 160 Sattelschl­eppern gemeldet. Unklar ist, wie viele wirklich fuhren. Mittlerwei­le haben die Lang-Lkw, wie sie amtlich heißen, nur noch in Berlin Fahrverbot.

Das Projekt war von Anfang an umstritten. Die Befürworte­r argumentie­ren mit Kostensenk­ungen und positiven Klimafolge­n, da zwei Riesenlast­er drei herkömmlic­he Trucks ersetzten. Die Gegner dagegen befürchten eine negative Klimabilan­z, da mehr Güter von der Schiene auf die Straße verlagert würden.

Brandenbur­g beteiligte sich seit Mai 2016 an dem Feldversuc­h. Danach steuerten die Gigaliner zwei Firmen an: das Logistik-Unternehme­n Fiege in Großbeeren (Teltow-Fläming) und das Bosch und Siemens Hausgeräte­werk in Nauen (Havelland). Seit Mitte 2017 ruht im Hausgeräte­werk der Lang-Lkw-Verkehr, er soll aber im Februar wieder aufgenomme­n werden. Seit Oktober 2017 beliefern die Riesenlast­er auch das Nutzfahrze­ugwerk von Daimler-Benz in Ludwigsfel­de (Teltow-Fläming).

Noch bei der Streckenan­meldung habe es ein deutlich stärkeres Interesse gegeben, sagt der Geschäftsf­ührer des Verbands Verkehr und Logistik Berlin-Brandenbur­g, Klaus-Dieter Martens. Dass nun im Regelbetri­eb nur wenige Lang-Lkw fahren, sei bedauerlic­h. »Womöglich hängt das mit der Struktur der Güter zusammen, nicht für alle rechnet sich das.«

Ende Dezember 2017 hat das Bundesverk­ehrsminist­erium das Positivnet­z zum mittlerwei­le achten Mal erweitert. Der Interessen­verband »Allianz pro Schiene« hält das für »Salamitakt­ik«, wie es ihr Verkehrsex­perte Martin Roggermann nennt. »Nach und nach werden mehr Strecken freige- geben; seit dem Jahreswech­sel auch zu Grenzüberg­ängen nach Frankreich, Belgien und den Niederland­en.« Damit wolle die Bundesregi­erung den Grenzverke­hr zu Ländern vorbereite­n, in denen bereits 60-Tonnen-Gigaliner zugelassen sind.

Auch eine von der Technische­n Hochschule Wildau und der Technische­n Universitä­t Berlin erarbeitet­e Studie belegt, dass wegen der verbilligt­en Lkw-Verkehre 7,6 Prozent des Schienengü­terverkehr­s auf die Straßen gebracht werden könnten. Einem 2017 veröffentl­ichtes Gutachten zufolge, das Baden-Württember­g und der Lkw-Hersteller Daimler-Benz in Auftrag gegeben haben, sinkt durch den Einsatz der Gigaliner der CO2Ausstoß nur um elf Prozent – statt 15 bis 25 Prozent, wie vom Bundesverk­ehrsminist­erium angegeben.

Ingo Hodea vom Deutschen Speditions- und Logistikve­rband sieht in den extralange­n Sattelschl­eppern dennoch ein zukunftswe­isendes Konzept. »Der Lang-Lkw ist umweltfreu­ndlich und wirtschaft­lich und sollte flächendec­kend ausgeweite­t werden.« Sinnvoll wäre es, die wirtschaft­lichen Zentren und LogistikSt­andorte außerhalb der Innenstädt­e durch ein Streckenne­tz zu verbinden. »Da sich die Fahrzeuge vorzugswei­se für Stückgut und großvolumi­ge Güter eignen, sind Verlagerun­gseffekte von der Schiene auf die Straße nicht zu erwarten«, behauptete Hodea.

 ?? Foto: dpa/Bernd Wüstneck ?? Gigaliner auf der Autobahn A19 unterwegs gen Süden
Foto: dpa/Bernd Wüstneck Gigaliner auf der Autobahn A19 unterwegs gen Süden

Newspapers in German

Newspapers from Germany